Karambolage
möglich.
»Nein.« Juricek schüttelte den Kopf. »Sicher nicht. Es muss eine zweite Kinokarte bei der Leiche gelegen sein, Leopold. Und das weißt du genauso gut wie ich.«
Leopold tat das einzig Mögliche: Er hüllte sich in Schweigen.
»Hör doch mit dem Versteckspiel auf, Leopold. Du warst der Erste bei der Leiche. Du hast die Karte gefunden und damit auf eigene Faust ermittelt. Zurückhaltung von Beweismitteln nennt man so etwas. Wahrlich keine Glanztat. Was hast du dir denn dabei wieder gedacht?«
»Schau … so eine Kinokarte … im Regen … in der Dunkelheit … die ist doch beinahe bedeutungslos«, stotterte Leopold herum. »Euch hat sie ja auch nicht viel geholfen.«
»Darum geht es nicht«, sagte Juricek streng. »Es geht darum, dass du uns eigentlich jede neue Entwicklung mitteilen hättest sollen. Stattdessen hast du uns Informationen vorenthalten. Wichtige Informationen. Mein Gott, hättest du nur einmal den Mund aufgemacht. Normalerweise müsste ich dich jetzt mitnehmen und die Nacht über von Bollek einem peinlichen Verhör unterziehen lassen. Aber ich fürchte, der arme Kerl hält das nicht aus. Jedes Mal, wenn er dich sieht, muss er eine Blutdrucktablette nehmen.«
»Was hättet ihr denn wirklich mit dem allen anfangen können?«, fragte Leopold, jetzt wieder kampfbereit. »Nichts. Fellners Vaterschaft scheint doch gar nicht offiziell auf. Und ich hatte doch auch nur eine Ahnung …«
»Diese Ahnung hätte ich eben gerne von dir gehört«, sagte Juricek und bestellte ein zweites Glas Rotwein. »Wir hätten unter Umständen schon früher die notwendigen Beziehungen hergestellt.«
»Ich weiß nicht«, meinte Leopold eher skeptisch beim Einschenken. Da mischte sich Frau Heller, die die Debatte im Hintergrund verfolgt hatte, in das Gespräch ein. »Meine Liste. Die hat Sie zum Täter geführt, stimmts?«, lächelte sie Juricek strahlend an.
Der fischte wortlos einen zusammengefalteten Zettel Papier aus der Innentasche seines Mantels. Er öffnete ihn und deutete auf eine mit Rotstift eingekreiste Stelle: »Bei der Beschreibung der im Kaffeehaus anwesenden Personen heißt es hier: ›Professor Korber mit Kollegin‹ – später wurde da noch ›Maria Hinterleitner‹ klein drübergeschrieben – ›und deren Freundin‹. Himmelherrgott, wie sollte ich denn wissen, wer diese Freundin ist?«
»Zuerst habe ich es auch noch nicht gewusst«, meinte Leopold, während sich Frau Heller beleidigt wieder zurückzog. »Am Samstag hätte ich es dir aber schon sagen können, wenn du mich gefragt hättest.«
»Wir haben den Namen von Maria Hinterleitner im Zuge unserer routinemäßigen Nachforschungen erfahren. Trotzdem: Wer denkt gleich daran, dass die Begleitung unseres Lehrers die Täterin ist?«, räsonierte Juricek etwas friedlicher.
Nachdenklich blickte Leopold auf den ersten Billardtisch. Dort mühten sich gerade zwei nicht sehr geübte Spieler mit den Bällen ab. »Bei so einem Fall ist es wie beim Billard«, sagte er. »Je kleiner das Brett, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass man mit seinem Ball die beiden anderen trifft, vorausgesetzt, der Ball hat genügend Kraft zum Laufen und man besitzt das nötige Glück. Die Bälle begegnen einander einfach, auch wenn man nicht ganz richtig gezielt hat. Unser Brett war gerade noch klein genug, und es ist sich noch einmal ausgegangen.«
»Rede dich nur nicht wieder heraus«, sagte Juricek nun schon mit gespielter Strenge. »Wenn ich mich nur ein bisschen mehr auf dich verlassen könnte. Na ja, Schwamm drüber.« Dann wechselte er abrupt das Thema: »Der alte Seidl ist übrigens heute früh gestorben. Sein Herz hat ihn im Stich gelassen. Ich denke, Eduards Tod hat ihm den letzten Lebenswillen genommen.«
Wieder einer weniger, grübelte Leopold. Juricek und Korber tranken schweigend von ihrem Glas Rotwein. Dabei sahen sie der Billardpartie am ersten Tisch zu. Und merkwürdig – manchmal liefen die Bälle wirklich geradewegs aufeinander zu, obwohl es nicht so aussah, als wäre der Stoß so gemeint gewesen. Wie viel hat doch alles mit der Größe des Brettes und dem Faktor Glück, der in der Welt draußen Schicksal oder Zufall genannt wird, zu tun, dachte Korber. Warum war Maria Hinterleitner ihm begegnet, warum Ingrid Grabner ihrem Vater?
»Ich muss jetzt gehen«, sagte er plötzlich und stellte sein leeres Glas auf die Theke. »Morgen ist Dienstag.«
»Was hast du jetzt schon wieder mit dem blöden Film?«, fragte Leopold.
»Nichts. Es ist
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