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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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oder sogar die königliche Garnison zu überrumpeln und niederzumetzeln
     wie in der kleinen Stadt Nègrepelisse, die dafür von Condé nicht minder grausam gestraft wurde.
    Fest steht, daß nicht alle Rochelaiser den Krieg wollten. Gegen ihn waren die Amtsträger, um der gesetzlichen Ordnung willen,
     die wohlhabenden Bürger, denen ihr ruhiges Leben wichtiger war, die Kaufleute, die ihre errungenen Handelsfreiheiten nicht
     gefährden wollten, und vor allem die Reeder, die um ihre Schiffe fürchteten.
    Die Pastoren indes, allen voran der höchst einflußreiche Pastor Salbert, riefen zum Kampf. Im Besitz ihrer absoluten Wahrheit
     – wie ja ebenso die Katholiken von der orthodoxen Partei –, nahmen sie zu deren Durchsetzung Gewalt in Kauf. Und beeindruckt
     von ihren vehementen Predigten wie auch durch die Anwesenheit der verwitweten Herzogin von Rohan in ihren Mauern, waren auch
     die kleinen Leute geneigt, das Wort den Kanonen zu überlassen. Sie hatten nichts zu verlieren als das Leben, das sie in ihrem
     unerschrockenen Glauben für nichts erachteten.
    Was die Rohans anging – die Herzoginwitwe, den regierenden Herzog und seinen jüngeren Bruder (den »höllischen Soubise«, wie
     Richelieu ihn nannte) –, so nährten sie den Traum, sich aus dem französischen Königreich eine unabhängige Herrschaft, bestehend
     aus La Rochelle, den Inseln und dem Languedoc, herauszuschneiden und ihrem Zepter untertan zu machen.
    Weil die Königinmutter und die regierende Königin pro-spanisch und ultramontan waren und weil die orthodoxe Partei, die wie
     ein Phönix aus der Asche der sogenannten Heiligen Liga erstanden war, ohne es noch in deutliche Worte zu fassen, sich die
     Ausrottung der Ketzerei in Frankreich zum Ziel setzte, fürchteten die Hugenotten, über sie werde abermals eine Verfolgung
     hereinbrechen.
    Sie vergaßen, daß der König sich in keiner Weise von den Königinnen lenken ließ, daß er, so fromm er war, den Anspruch des
     Papstes bestritt, unbedingte Macht über das Zeitliche auszuüben, daß er seinen Bischöfen bei passender Gelegenheit mit |8| Vorliebe ihren Hochmut oder ihre Habgier vorwarf, daß er nicht gezögert hatte, die päpstlichen Truppen im Veltlin anzugreifen
     und zu verjagen, und schließlich daß er zu wiederholten Malen bekräftigt hatte, niemals die Religions- und Glaubensfreiheit
     seiner protestantischen Untertanen anzutasten.
    Merkwürdig aber – und ein Beispiel für die unergründliche Logik der menschlichen Leidenschaften: Die Hugenotten von La Rochelle
     rebellierten gegen Ludwig, hörten darum aber nicht auf, ihn zu lieben. Als sie mit den Engländern verhandelten, die ihre der
     Stadt geleistete Hilfe gern mit einigem französischen Landbesitz belohnt sehen wollten, protestierten sie, sie wollten »der
     Treue und Ergebenheit keinen Abbruch tun, die sie dem König von Frankreich schuldeten«, den sie im übrigen hoch schätzten
     als einen »ausgezeichneten Fürsten, dessen Vorgehen von einer sehr seltenen Aufrichtigkeit« geprägt sei.
    Mehr noch, als sie hörten, daß während der Belagerung eine ihrer Kanonenkugeln vier Schritte vor Ludwig eingeschlagen war
     und ihn mit Staub überschüttet hatte, hielten sie öffentliche Gebete ab, auf daß der Herr ihn fürderhin in seinen heiligen
     Schutz nehmen möge. Kurz, sie bombardierten ihn, wollten aber nicht seinen Tod. Die Engländer, die eigentlich nichts noch
     so Ausgefallenes oder Widersinniges erschüttern kann, machten diese Fürbitten zum Schutz des Königs von Frankreich denn doch
     baff. Nicht ohne Betrübnis folgerten sie, daß den Rochelaisern »die königliche Lilie wohl doch zutiefst im Herzen wurzele«.
    Die Engländer erhielten noch mehr Gründe, sich über diese eingewurzelte Verbundenheit zu betrüben. Als die Belagerung sich
     in die Länge zog und der Hunger in der Stadt mehr und mehr Menschen dahinraffte, kam ein Rochelaiser auf die Idee, heimlich
     die Mauern zu überwinden, sich durch die feindlichen Linien bis zu dem Marktflecken Aytré durchzuschlagen, wo Ludwig Wohnung
     bezogen hatte, und ihm sein Messer ins Herz zu stoßen.
    Diesen Plan eröffnete der Mann dem Bürgermeister, Jean Guiton, der von Anfang an unnachgiebig für den Krieg eingetreten war
     und der trotz aller furchtbaren Verluste, die seine Stadt erlitt, entschlossen war, den Kampf gegen die königliche Macht bis
     zum letzten zu führen.
    Der mörderische Plan des Mannes fand bei Guiton dennoch |9| keine Gnade. Als gewissenhafter

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