Kardinal vor La Rochelle
Nicolas der Dame mißfielen, wechselte ich von den nichtssagenden
Floskeln zu Komplimenten über, lobte die Schönheit des Schlosses, den reizenden Park, den Geschmack, mit dem der kleine Salon
aufwartete, und schließlich beglückwünschte ich, mit aller gebotenen Vorsicht, Madame zu ihrer einnehmenden Erscheinung.
Sie errötete bei diesem Aufgebot und hob abwehrend die Hände.
»Graf«, sagte sie, »man sieht, daß Ihr am Hofe lebt, wo die Damen zu Anfang und Ende eines Besuchs erwarten, daß die Herren
sie mit allen möglichen Lobpreisungen überschütten. Aber ich bin darauf nicht erpicht. Ich bin Witwe, kinderlos, lebe allein
auf dem flachen Land und habe wenig Umgang. Wenn man mir gemeinhin auch ein paar gute Eigenschaften zugesteht, so könnt Ihr
doch nichts dazu sagen, weil Ihr mich noch gar nicht kennt. Darum bitte ich Euch, redet ganz offen und sagt mir ohne Umschweife,
was Ihr wünscht.«
Das war nun eine kleine Abfuhr, aber doch nicht so ganz, denn was sie mit oder ohne Absicht von ihren guten Eigenschaften
gesagt hatte, die mir noch unbekannt seien, konnte man auch so verstehen, daß sie recht gern wollte, ich lernte sie besser
kennen, was sich ja wohl nur im näheren Umgang miteinander machen ließ.
Durch dieses »noch« ermutigt, trug ich leichteren Herzens mein Anliegen vor: Weil meine Männer und ich in der Zitadelle Saint-Martin-de-Ré
hätten ausharren müssen, seien wir erst nach dem Ende der Belagerung aufs Festland gekommen, das heißt zu einem Zeitpunkt,
als der König und sein Heer schon alle Unterkünfte belegt hatten. Wir hätten also nirgends ein Quartier gefunden. Und da ich
erfuhr, daß die Marquise de Brézolles beabsichtige, nach Nantes zu gehen, hätte ich gedacht, es käme ihr womöglich nicht ungelegen,
ihr Haus für die Dauer ihrer Abwesenheit an mich zu vermieten. Was zunächst den Vorteil hätte, daß wir untergebracht wären,
sodann aber auch, daß das Schloß mit einer Garnison belegt wäre, die es vor Plünderung schützen würde.
Madame de Brézolles antwortete nicht gleich, sondern sah mich nachdenklich an, als wäge sie meine offensichtlichen Tugenden
und meine möglichen Untugenden gegeneinander ab. |18| »Graf«, sagte sie schließlich, »darf ich Euch eine Frage stellen?«
»Madame«, sagte ich, »ich stehe zu Eurer Verfügung.«
»Was sind das für Männer, die Ihr bei Euch habt? Soldaten?«
»Es sind Schweizer, Madame, die ich gedungen habe und die mir seit langer Zeit dienen, gute, ehrenwerte Männer, reinlich,
wacker und diszipliniert. Wenn nötig, scheuen sie sich auch nicht, bei Arbeiten auf meinem Gut Orbieu mit Hand anzulegen.«
»Kann ich sie sehen, Graf?«
»Selbstverständlich, Madame. Nicolas, würdest du bitte unsere Schweizer vor der Freitreppe versammeln?«
»Ist in einer Minute gemacht, Herr Graf«, sagte Nicolas, der nach einem flinken Gruß und einer graziösen Reverenz wie ein
Pfeil davonschoß.
Madame de Brézolles wandte sich mir lächelnd zu.
»Was habt Ihr für einen hübschen Junker, Herr Graf!«
Zuerst biß mich die Eifersucht, dann erfaßte mich eine Besorgnis, denn schließt die Welt von der Schönheit des Junkers nicht
allzu leicht auf die Sitten des Herrn?
»Madame«, sagte ich abweisend, »Nicolas hat gewichtigere Vorzüge. Daß er so gut aussieht, kommt ihm allerdings sehr zustatten,
weil er, wie sein Herr, ein glühender Bewunderer des
gentil sesso
ist.«
»Oh, das will ich gerne glauben«, sagte Madame de Brézolles und verbarg ihre Erleichterung hinter einem kleinen Lachen.
»Graf«, fuhr sie fort, »seid Ihr verheiratet?«
Allewetter! dachte ich, muß ich jetzt etwa meine ganze Lebensgeschichte erzählen, damit sie mir ihr Haus vermietet?
»Nein, Madame, ich habe alles mögliche gewagt, nur das nicht.«
»Ach!« sagte sie lächelnd, »so schrecklich ist die Erfahrung doch nicht. Was auch immer geredet wird – es gibt gute Ehen.
Ich, zum Beispiel, hatte einen vortrefflichen Gemahl, dem ich höchstens vorwerfen könnte, daß ich keine Kinder habe. Kanntet
Ihr ihn vielleicht?« fragte sie. »Er war in Herrn von Schombergs Heer, das die Engländer zwang, sich einzuschiffen, nachdem
es sie gezwungen hatte, die Belagerung der Zitadelle Saint-Martin-de-Ré aufzuheben.«
»Es hätte sein können, Madame. Aber ehrlich gesagt, wir |19| waren nach der langen Belagerung so geschwächt, daß wir Herrn von Schomberg nur als Nachhut dienen konnten und seine Offiziere
daher nicht
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