Kardinal vor La Rochelle
mit Güte betrachtete, Clérac heiße und der jüngere |15| Bruder von Monsieur de Clérac, Hauptmann der Königlichen Musketiere, sei, welcher Kompanie mein Junker beitreten werde, sobald
er das notwendige Alter erreicht hätte.
»Herr Graf«, sagte Nicolas, als die Intendantin uns allein gelassen hatte, »wenn die Dame des Hauses ebenso alt ist wie ihr
Maggiordomo und ihre Haushofmeisterin, könnte es sein, daß es hier ein bißchen trübe wird.«
»Was mich nicht anficht, Nicolas, da die Marquise ja abreist.«
»Falls sie ihre Absicht nicht ändert, wenn sie Euch sieht, Herr Graf.«
»Oder dich, Nicolas. Es könnte nämlich sein, daß es mich gar nicht grämen wird, wenn du zu den Musketieren gehst, weil dein
schönes, frisches Gesicht mich bei den Damen derart in den Schatten stellt.«
»Könnte es, mit Verlaub, Herr Graf, nicht eher sein, daß Ihr mich in den Schatten stellt, wie es sich während der Belagerung
von Saint-Martin zeigte, als Marie-Thérèse, vor der Wahl zwischen Herrn und Diener, sich in Keuschheit verschloß?«
»I bewahre, die Ärmste war einfach in ihre Entkräftung verschlossen, und wie hätten wir sie daraus erwecken können, da Hunger
und Durst uns wenn auch noch nicht umgebracht, so doch reichlich abgetötet hatten?«
So ging unser Geplänkel, als sich die Tür auftat und hinter ihrem alten Maggiordomo die Marquise de Brézolles erschien. Ihr
Reifrock war so breit, daß sie ihn mit beiden Händen raffen und sich schräg stellen mußte, um die Tür zu durchschreiten.
Nun trat ich auf sie zu, indem ich ihr bei jedem Schritt eine Reverenz machte und mit meinem Federhut den Perserteppich streifte,
während Nicolas zu meiner Rechten, aber einen halben Klafter 1 hinter mir, seine Kratzfüße nicht nach, sondern gleichzeitig mit mir ausführte wie in einem gut geprobten Ballett.
Schöne Leserin, ohne mich vor Ihnen meiner Talente rühmen zu wollen, zumal wenn es nichtige sind, möchte ich Sie doch nicht
in dem Glauben lassen, eine schöne Reverenz sei ein Kinderspiel. Vor allem braucht es dazu Anmut, und sicherlich fällt diese
den Damen leichter als den Herren, denn wenn sie niederknicksen, breitet sich der Reifrock hübsch um sie her |16| wie eine Blütenkrone und verbirgt, wo nötig, eine ungeschickte Beinbewegung. Dennoch bedarf es hierzu auch bei einer Dame
einiger Übung und besonders eines guten Gleichgewichts, denn käme sie aus ihrem Knicks nicht mehr vom Boden hoch, wäre sie
das Gespött des ganzen Hofes.
Hinzufügen möchte ich, daß es tausenderlei Weisen gibt, eine Reverenz zu machen, und daß daher keine der anderen gleicht.
Man kann einen Herzog oder einen Prinzen mit allem gebührenden Respekt grüßen, ohne ihm damit die mindeste Achtung und Ergebenheit
auszudrücken. Auf solche Weise grüße ich Monsieur 1 , seit er versucht hat, mich ermorden zu lassen. Hingegen lege ich in meinen Kniefall vor dem König oder dem Kardinal alle Zuneigung, ja Liebe, die ich diesen Männern
entgegenbringe. Die Herzogin von Chevreuse – die der König nicht grundlos den »Satan« nennt – grüße ich so frostig ich kann,
und ihr Dank ist voll sichtlichster Verachtung. Ihrem Gemahl hingegen, dem Herzog von Chevreuse, entbiete ich alle Freundlichkeit,
denn er ist ein gutmütiger Bursche und zudem mein Halbbruder, und er erwidert meine Freundlichkeit, indem er mich umarmt.
Leider hat der Herzog von Chevreuse nicht eine Spur von Einfluß auf die Herzogin, von Autorität über sie ganz zu schweigen,
und er vermag rein gar nichts gegen ihre Liebesaffären, ihre machiavellistischen Intrigen und verbrecherischen Projekte gegen
den König.
Als ich mit meiner dritten Reverenz einen Schritt vor der Marquise de Brézolles anlangte, richtete ich mich auf, während sie
graziös Arm und Hand in Reichweite meines Mundes hob, nicht ohne mir ein äußerst liebenswürdiges Lächeln zu schenken. So drückte
ich meine Lippen denn ein wenig länger auf ihre Finger, als es die Handbücher der Galanterie empfehlen, wenigstens bei einer
ersten Begegnung. Aber es kam gut an, und nachdem die Marquise uns gebeten hatte, Platz zu nehmen, schenkte sie Nicolas ein
sehr huldvolles Nicken, bot ihm jedoch nicht ihre Hand.
Sobald wir Madame de Brézolles gegenübersaßen, wich das Schweigen dem Austausch kleiner Höflichkeiten, während wir einander
mit der scheinheiligsten Zurückhaltung musterten. |17| Und als ich an gewissen Zeichen erkannte, daß weder ich noch
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