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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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aus meiner Börse, zählte sie auf den Tisch und legte meine Hand drüber.
    »Nun rede, Gevatterin, rede!« sagte ich. »Und daß du mir die Wahrheit sagst! Sonst komme ich heut abend mit meinen Schweizern,
     röste dir die Füße und räume dir deinen Weinkeller leer.«
    »Moussu«, sagte sie, »wir sind sehr ehrbare Leute und sagen immer nur, was wahr ist! Das schönste Haus in Saint-Jean-des-Sables
     gehört der Marquise de Brézolles, bloß wird Eure Hoheit sich dort nicht einmieten können, weil die Marquise sich so belästigt
     fühlt von dem Kanonendonner, den sie den ganzen Tag hören muß, und weil sie jede Nacht so in Ängsten ist vor Deserteuren und
     Plünderern, daß sie drauf und dran ist, ihre Sachen zu packen und nach Nantes zu ziehen, wo sie auch ein sehr schönes Haus
     hat, mitten in der Stadt sogar, wie es heißt.«
    Hierauf verstummte die Vettel, und kaum zog ich die Hand von den fünf Sous, hatte sie sie auch schon geschnappt. Wir verließen
     sie, ohne uns groß mit Höflichkeiten aufzuhalten, und als ich den schmächtigen Gefährten ihrer Lebtage in einer Ecke erblickte,
     dachte ich bei seiner schmerzlichen Miene, daß sein Weib aus meinem Besuch neun Sous herausgeschlagen hatte und er nur einen.
     Dabei war es nicht einmal sicher, ob sie ihm seine magere Beute nach unserem Aufbruch nicht auch noch abluchste.
    Das schöne Haus war ein Schloß aus der Zeit Henri Quatres, mit Ziegelwerk und Hausteinschmuck um Türen und Fenster. Rechter
     Hand vom Gittertor hing eine Glocke, welche Nicolas auf mein stummes Geheiß über eine Minute läutete, doch ohne jeglichen
     Erfolg. So nahm ich mir die Freiheit, durchs Tor zu reiten, aber nur mit Nicolas, während Hörner und seine Schweizer draußen
     warteten, damit die Dame des Hauses uns nicht für eine räuberische Horde halte, die auf Möbel und Mädchen aus war.
    Unsere Stuten führten uns bis vor die Freitreppe, und dort auf einmal zeigte sich eine Art
maggiordomo
, degenbewehrt, aber so altersschwach, daß er sich nur gerade auf den Beinen hielt. Ich sagte ihm, wer ich sei, doch ob er
     taub war oder sich nichts mehr merken konnte, er hörte kaum zu. Dafür musterte er mich eindringlich von Kopf bis Fuß.
    Nun hatte ich ja in der Erwartung, in Aytré vor Seiner Majestät |14| zu erscheinen, meine schönsten Kleider angelegt, so daß der Maggiordomo schwerlich etwas an mir auszusetzen fand, weder an
     dem mehrfarbigen Federbusch meines Hutes noch an meinem Venezianer Spitzenkragen, den ich im Nacken aufgestellt trug, auch
     nicht an meinem perlenbestickten, mattblauen Seidenwams, noch an meinem kunstreich verzierten Degenknauf oder meinen hohen
     Stiefeln aus feinstem Leder und schon gar nicht an dem großen goldenen Kreuz der Ritterschaft vom Heilig-Geist-Orden, das
     ich angelegt hatte, um demjenigen Ehre zu erweisen, der es mir verliehen hatte.
    »Meine Herren«, sagte er mit zittriger Stimme, »beliebt abzusitzen und mir zu folgen.«
    Ein Lakai erschien und übernahm unsere Pferde. Er trug eine neue Livree, vermutlich in den Farben der Marquise de Brézolles.
     »Neu«, sage ich, weil eben das mir auffiel und einen guten Eindruck machte. In diesem Haus schien nicht die Knickrigkeit jener
     reichen Madame de Candisse zu herrschen, die mich, wie ich im vorigen Band meiner Memoiren erzählte, in La Flèche zugleich
     so schäbig und großzügig aufgenommen hatte.
    Und wirklich war der Salon, in den uns der Maggiordomo führte, neu eingerichtet, in Hellblau, mit neuen Lehnsesseln und einem
     wunderschönen großen Perserteppich. Das Ganze zeugte von sicherem Geschmack und einer wohlgefüllten Börse, die im Gegensatz
     zu der von Madame de Candisse durchaus auch einmal geschröpft wurde.
    Nach einer Weile ging die Tür auf, und eine Art Haushofmeisterin trat herein. Haushofmeisterin sage ich, weil ihr Kleid zwischen
     Cotillon und Reifrock die Mitte hielt, was darauf hindeutete, daß sie, zwar nicht von Adel, in der häuslichen Hierarchie aber
     so hoch gestellt war, daß sie sich über den Cotillon erheben durfte, nicht aber bis zum Reifrock.
    Trotz ihres hohen Alters gebot sie über wache, flinke Augen und, wie sich schnell zeigte, über eine sehr gewandte Zunge.
    »Mein Herr«, sagte sie nach der höflichsten Reverenz, »die Frau Marquise de Brézolles, welche Euch auf den Bericht ihres Maggiordomo
     hin vorließ, wünscht Euren Namen und Stand genauer zu erfahren.«
    Ich stellte mich also vor und fügte hinzu, daß mein Junker Nicolas, den sie

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