Kardinal vor La Rochelle
Monsieur«, sagte sie lächelnd.
»Durchaus nicht, Madame, und um es Euch freiheraus zu sagen: Ich habe da eine kleine, mir sehr ergebene Person, die, wenn
sie sich einmal verheiratet, von mir eine Mitgift und einen Hausstand erhalten wird.«
»Seid Ihr dieser kleinen Person treu?«
»Das ginge schwerlich, Madame. Es sind ihrer nämlich zwei, eine in Paris, die andere auf meinem Landgut.«
»Ich vermute, dieses Arrangement befriedigt Euch, Graf?«
»Übel ist es nicht, auch wenn es dann und wann kleine Schwierigkeiten bringt.«
»Und der König? Und der Kardinal?«
»Ach, Madame! Der König weiß nicht einmal, was eine Kammerzofe ist, und wenn es der Kardinal auch weiß, schert es ihn doch
wenig. Von so kleinen Personen wird der Staat nicht bedroht.«
»Wenn ich bloß wüßte«, sagte Madame de Brézolles etwas verstimmt, »was unsere Herren so Großartiges an Kammerzofen finden!
Mein seliger Mann war geradezu in sie vernarrt.«
»Darauf gibt es eine Antwort, Madame. Auf Grund ihres Standes kann eine Kammerzofe mit ihrem Herrn nicht streiten.«
»Aber ich bin nicht streitsüchtig«, sagte Madame de Brézolles lebhaft, »man braucht nur zu tun, was ich will.«
Ich wußte nicht, was ich auf ein so freimütiges (und so wenig überraschendes) Geständnis antworten sollte, und senkte den
Blick auf meine Tasse, und weil ich dort einen Rest Tee entdeckte, trank ich ihn aus, und als ich meine Tasse, die aus Porzellan
und hübsch bemalt war, absetzte, stellte ich endlich die Frage, die mir seit einer Stunde auf den Lippen brannte.
|24| »Also, Madame, was wird nun aus unserer Mietgeschichte?«
»Ach, Graf«, sagte sie wie entrüstet, »ich, und mein Haus einem Edelmann Eures Ranges vermieten! Das verhüte Gott! Ihr seid
mein Gast. Nur für die Versorgung Eurer Schweizer und Eurer Pferde müßt Ihr aufkommen. Ich habe ein schönes Gesindehaus, dort
können Eure Schweizer sehr gut wohnen und für sich kochen, ohne jemanden zu stören. Ihr und Monsieur de Clérac wohnt im Schloß,
und es wird mir eine Freude sein, Euch dazuhaben.«
»Madame«, sagte ich, »heißt das, Ihr geht nicht nach Nantes?«
»Wozu, wenn ich dank Eurer jetzt so gut beschützt bin? Es sei denn, Monsieur«, setzte sie mit einem schalkhaften Lächeln hinzu,
»meine Anwesenheit wäre Euch lästig …«
»Oh, Madame!« sagte ich, indem ich vor ihr niederkniete und auf die Hand, die sie mir reichte, einen Kuß drückte.
Ich fürchte, er fiel ein bißchen länger aus, als er hätte sein müssen, um ihr meine Dankbarkeit zu bezeugen. Andererseits
zog sie ihre Hand aber auch nicht so schnell zurück, wie sie gemußt hätte, so zufrieden war sie es offenbar, einen Edelmann
dort zu sehen, wo er nach ihrem Dafürhalten hingehörte: zu ihren Füßen.
***
Nach dem Essen überwachte ich mit Nicolas den Einzug meiner Schweizer in das Gesindehaus, das Madame de Brézolles ihnen zur
Verfügung stellte. Dann hielt ich eine Siesta in einem Zimmerchen, das sie mir bot, solange das große Zimmer, in dem sie mich
unterbringen wollte, da ich es dort in jeder Hinsicht »schöner und bequemer« hätte, noch nicht hergerichtet war.
Ich bedankte mich für ihre Fürsorge und warf mich aufs Bett in der Absicht, ein wenig zu ruhen, aber mein Körper wußte es
besser, und so fuhr ich aus meiner Betäubung erst auf, als Nicolas an die Tür klopfte, um mir mitzuteilen, daß die Marquise
mich zum Abendessen erwarte.
Bei diesem Souper wurde nichts gesprochen, was des Berichtens wert wäre, denn zwischen Madame de Brézolles und mir hatte sich
ein so freundschaftliches, ja zärtliches Einvernehmen hergestellt, daß es mit Blicken und unbedeutenden Worten auskam.
|25| Nachher ließ sie mich von ihrem Maggiordomo zu einem großen Zimmer führen, das mich mit heller Freude erfüllte, so prächtig
waren Wandbespannung und Teppiche, so schön die Lehnstühle und gedrechselten Möbel und das majestätische Himmelbett von beinahe
königlichen Maßen. Ich wollte Nicolas nicht stören, der nebenan schon wie ein Murmeltier schlief, und entkleidete mich allein.
Und nachdem ich die damastenen Vorhänge um mein Lager zugezogen und mich ausgestreckt hatte, sann ich in köstlicher Geborgenheit
vor mich hin … Mein Gott! dachte ich, bin das wirklich ich, der noch vor kurzem in dieser Hölle von Saint-Martin-de-Ré steckte,
der Durst und Hunger litt und so viele Männer, die Wochen vorher noch gesund und kräftig gewesen waren, um sich sterben
Weitere Kostenlose Bücher