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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Ihr saht, zusammen mit allerlei anderem Kriegsgerät, auch Raketen.«
    »Raketen? Wozu?«
    »Damit sprengt man ein Tor. Oder man schleudert sie gegen eine Reiterschwadron, um die Pferde zu erschrecken und die Schwadron
     in die Flucht zu jagen.«
    »Aber denkt Ihr denn, Monsieur, daß ein Dutzend Männer ausreicht, wenn eine Hundertschaft von Plünderern in mein Haus einfallen
     will?«
    »Eine Hundertschaft, Madame! Was stellt Ihr Euch vor! Hundert Plünderer sollten ihr Unwesen quasi vor der Nase des königlichen
     Heeres treiben, das zwölftausend Mann stark ist? 1 Nein, nein, Ihr könnt ganz beruhigt sein, alles, was Ihr zu gewärtigen hättet, wäre höchstens eine Bande von fünf, sechs Deserteuren. Und sollten die hier auftauchen, hauen meine Schweizer sie
     in Stücke. Aber dazu wird es erst gar nicht kommen, Madame. Es braucht sich in Saint-Jean-des-Sables nur herumzusprechen,
     daß Ihr eine Garnison Schweizer im Haus habt, und die Marodeure bleiben fern.«
    Hierauf blickte sie mich an, als sei sie still beschäftigt, in ihrem Kopf alles, was sie über mich, meine Schweizer und deren
     Nützlichkeit gehört hatte, abzuwägen.
    »Graf«, sagte sie dann, »es ist gleich halb zwölf, Zeit zum Mittagessen. Wollt Ihr mit mir speisen?«
    »Nichts, Madame, würde mir größeres Vergnügen bereiten. Darf ich fragen, ob Eure Einladung Herrn von Clérac einschließt?«
    »Herr von Clérac wird, ohne daß ihm etwas abgeht, mit meinem Haushofmeister speisen, der von Adel und aus gutem Hause ist.
     Ich möchte mich gern mit Euch allein unterhalten.«
    Mir kam eine der Galanterien in den Sinn, wie sie am Hof geläufig sind, ohne daß sie etwas zu bedeuten hätten, weil weder
     Damen noch Herren solcher falschen Münze irgendeinen Wert beimessen. Ich sah Madame de Brézolles aber so nachdenklich |22| und in sich gekehrt, daß ich mich auf einen höflichen Dank beschränkte.
    Leser, das Essen war gut, der Wein vorzüglich, aber die Unterhaltung kam über Belanglosigkeiten nicht hinaus. Daß meine Einmietung
     so viel Überlegung erfordern sollte, war mir unbegreiflich, und ich begann mir große Sorgen zu machen, wo zum Teufel ich sonst
     ein Nachtquartier für meine Männer und mich fände.
    Das Essen war fast beendet, die Belanglosigkeiten erschöpft, wir wußten nichts weiter zu sagen. Doch auf einmal wurde das
     Schweigen gebrochen, Madame de Brézolles zuckte zusammen und blickte mich an, als besänne sie sich endlich auf mich.
    »Monsieur«, sagte sie, »ich bin ein wenig beklommen, weil ich Euch gern noch ein paar Fragen stellen würde, aber sie erscheinen
     mir so indiskret.«
    »Fragt nur, Madame! Fragt unbesorgt! Je indiskreter die Fragen, desto diskreter werde ich antworten, hübsch zwischen offenherzig
     und verschwiegen.«
    »Monsieur«, sagte sie mit einem Seufzer und leicht zerknirschter Miene, »was ich wissen möchte, ist dies: Ihr seid ein so
     gutaussehender Edelmann, mit so guten Manieren und so zuvorkommend gegenüber dem schönen Geschlecht, daß ich mir Euer Widerstreben
     gegen die Ehe nur so erklären kann, daß Euer Herz an eine Dame des Hofes gebunden ist.«
    Mir blieb die Sprache weg.
    »Madame«, sagte ich, als ich sie endlich wiederfand, »wenn ich Euch recht verstehe, betrifft Eure Frage doch nicht das Herz
     allein.«
    »Ihr habt mich recht verstanden«, sagte Madame de Brézolles etwas verlegen.
    »Dann sollt Ihr, wie versprochen, eine ebenso offene wie vorsichtige Antwort erhalten. Erlaubt mir nur vorher zu sagen, Madame,
     daß ich noch nie einen so reizenden Beichtiger hatte wie Euch, der mir hoffentlich um so gnädiger sein wird, als er mein Sündenregister
     weder kennt noch gar zu ahnden gewohnt ist.«
    Wieder wurde Madame de Brézolles ziemlich verlegen, trotzdem rückte sie keinen Deut ab von ihrem Entschluß, das Verhör fortzusetzen.
     Donnerschlag! dachte ich, die Dame weiß, was sie will, die ginge für ihr Ziel durch Eisen und Feuer!
    |23| »Nun denn, Madame: Ich war früher tatsächlich einmal einer hohen Dame verbunden, aber sie war Ausländerin, lebte fern vom
     Hof, und niemand dort hat je davon erfahren.«
    »Warum war es so wichtig, daß der Hof davon nichts erfuhr?«
    »Weil der König, Madame, außereheliche Lieben mißbilligt, am meisten ehebrecherische, das aber erst recht zum jetzigen Zeitpunkt
     unserer Geschichte, da hohe Damen sich mit Kabalen und Komplotten beschäftigen und den Staat in Gefahr bringen.«
    »Dann seid Ihr ja gezwungen, wie ein Mönch zu leben,

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