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Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Titel: Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Fried
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die Brüder verwehrten (c.17). Aufschrecken mußten erst recht die Schutzverfügungen zugunsten der Enkel: Keiner seiner drei kronentragenden Söhne solle einen von ihnen – unter welchem Vorwand auch immer verklagt – ohne eindringliche und korrekte Prüfung hinrichten, verstümmeln, blenden oder zum Mönch scheren lassen (c.18). Hier gebot ein König und Kaiser, der selbst hatte hinrichten, blenden, verstümmeln, scheren lassen, ein Karl, der nur zu gut wußte, was Königsverwandten von Ihresgleichen drohte.
    Alles sollte vergebens sein. Selbst der größte aller Frankenkönige vermochte den Frieden nicht über seinen Tod hinaus zu sichern. Sein Haupterbe Ludwig wird genau das tun, was der Vater hatte verhindern wollen: die Schwestern zwangsweise ins Kloster abschieben, ihre Geliebten töten, den Sohn seines Bruders Pippin allen Eiden zum Trotz blenden und zum Tod befördern, seine jüngsten Brüder zwangsweise zu Mönchen und Klerikern scheren lassen. Kein väterliches Friedens- und Liebesgebot, kein Konsens der Großen schützte vor der brutalen Kaisermacht, nichts, kein Eid und kein Gebet. Jener Ludwig, der mit dem ihm erst später zugeflossenen Beinamen «der Fromme», führte die Franken, diese Gesamtheit der vereidigten Freien und Großen, wie sich nur allzubald zeigen sollte, zu kollektivem Eidbruch und stürzte das Reich Karls des Großen nach dem Tod des Heros ins Chaos, in Verrat, Bruderkriege, Auflösung und Untergang.

9

Ein später Frieden mit Byzanz
    nablässig besorgt um die heilige Christenheit, ihre Einheit, ihren Frieden – das schloß die Christen jenseits der eigenen Reichsgrenzen, zumal in Ostrom mit ein. Der Streitpunkt von früher, die Bilderfrage, und die der Gegenwart, das
filioque
, mochten fürs erste ruhen, nachdem Hadrian I. und Leo III. ihre Urteile gefällt hatten, und obgleich für Karl selbst die Rechtgläubigkeit der Griechen zweifelhaft erscheinen mochte. Wie aber würden sie mit der Kaiserfrage umgehen, die zuletzt den Frieden vereitelt hatte? Die Antwort mußte über den Frieden entscheiden. Sie ließ Jahre auf sich warten.
    Die neuerliche Friedensinitiative ging von Ostrom aus. Die «Reichsannalen» hatten nach dem Jahr 803 zunächst nichts über Byzanz zu berichten. Doch im Jahr 805 änderte sich die Situation. Im Dezember diesen Jahres erschienen die Dogen Willerus und Beatus von Venedig sowie der Dux Paulus und der Bischof Donatus von Zara vor Karl, «und eine Ordnung über Dogen und Volk von Venezien und Dalmatien wurde von Karl erlassen» (ArF 806); deren Inhalt ist unbekannt. Beide Regionen aber gehörten zum byzantinischen Reich. Ganz offenkundig streckte Karl seine Hand nach byzantinischem Gebiet aus. Er riskierte den Krieg, und Nikephoros beantwortete umgehend die Aggression, indem er eine Flotte entsandte, «um Dalmatien wiederzugewinnen». Deren Präfekt schloß zwar mit dem König Pippin einen befristeten Waffenstillstand, segelte aber nach Konstantinopel zurück (ArF 806). Entschieden war nichts.
    Drei Jahre später erschien die griechische Flotte abermals in der nördlichen Adria; vor Comacchio kam es zum Gefecht. Die Griechen mußten sich nach Venedig zurückziehen, deren Dogen Verhandlungen des Flottenpräfekten Paulos mit Pippin vereitelten (ArF 809). Im folgenden Jahr durchschaute der italische König das Venezianer Spiel und unterwarf die Stadt, während die griechische Flotte nur Dalmatien zu verteidigen vermochte. So standen dieDinge, als der Basileus neuerlich Friedensfühler nach dem Westen ausstreckte.
    Nikephoros hatte viele Gegner im eigenen Land. Die sich abzeichnende vierfache Bedrohung durch Usurpationsversuche im Innern, durch die Bulgaren aus dem Norden, durch die Muslime aus dem Süden und eben jetzt durch die Franken aus dem Westen, vielleicht auch durch die angespannte finanzielle Lage des Reiches drängte zu einem Kurswechsel gegenüber den Franken. Kursierte damals das Wort, das Einhard auf Griechisch überlieferte (c. 16): «Den Franken habe zum Freund, aber nicht zum Nachbarn»? Jedenfalls suchte der Basileus den Ausgleich mit den lateinischen Christen und erhoffte einen Friedensvertrag. Er mußte die Kaiserfrage klären.
    Wieder also gingen Gesandtschaften hin und her. Von Karls Seite eilten der Bischof Heito von Basel und der Graf Hugo von Tours nach Konstantinopel, um die Formalien zu klären. Der Franke war zum Verzicht auf Venedig bereit (ArF 810). Doch Haito und Hugo erreichten Byzanz abermals zu spät. Man ließ sie monatelang

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