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Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Titel: Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Fried
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Kernland mit seinen Königshöfen. Erst die Reiche der Ludwig-Söhne ließen sich nicht mehr in dieser Weise teilen. Das Herkommen aber hatte, so lehrte das kulturelle Gedächtnis, den Frieden zu keiner Zeit zu sichern vermocht; deshalb sollte Neues erprobt werden.
    Der Traditionsbruch war ‹vorbereitet› worden. Seine Legitimation bekundeten die «Metzer Annalen». Sie entstanden gleichzeitigmit der «Divisio regnorum» im Umfeld des Kaiserhofes und dürften dessen Haltung erläutern. Sie aber registrierten zum Jahr 741 den analogen Fall, daß nämlich, als Karl Martell seinem «Konkubinen»-Sohn Grifo «inmitten seines Fürstentums» (
in medio principatus sui
) «einen Teil Neustriens und einen Teil Austriens und Burgunds» (Teile der späteren Länder Karls des Jüngeren also) zugewiesen hatte, «die Franken überaus entrüstet waren». Sie wünschten nicht, «auf Rat einer unehrenhaften Frau (eben der Mutter Grifos, Suanahild) geteilt und von ihren legitimen Erben getrennt» zu werden.
    Annalen sind von ihrer Abfassungszeit her zu lesen; und die Erinnerung dieser Annalen besaß in der Tat, als sie fixiert wurde, brandaktuelle Bedeutung. Sie legitimierten mit historischen Exempla das Handeln in der Gegenwart. Als Konkubinensöhne galten Karls des Großen nach dem Jahr 800 geborenen Söhne, aber auch der älteste, bereits ins Kloster verbannte Pippin. Er war von jedem Anteil am väterlichen Reich aufgrund nachträglich konstruierter Illegitimität ausgeschlossen worden[ 109 ]. Er sollte ursprünglich wohl einen Anteil an der «Francia», vielleicht auch Baiern erhalten. Die «Francia» aber war das Herzstück des Reiches, das Land der Franken, ihre Heimat; dorthin kehrten ihre Könige stets von ihren Kriegszügen zurück. Die Botschaft, welche die «Metzer Annalen» somit verkündeten, war eindeutig: Die Franken des frühen 9. Jahrhunderts wünschten keine «Teilung» ihres Landes; ihre Stärke ruhte, wie dieselben Jahrbücher wieder und wieder vor Augen führten, in Einheit, Frieden und Einigkeit, die sich in brüderlicher Gemeinschaft manifestierten. Schon das Nachbarvolk Burgunds galt den Franken und ihren Königen als fremd.
    Karl der Große handelte entsprechend, als er sein Reich teilte. Kein labiles Gleichgewicht, sondern eine eindeutige Machtgewichtung und klar voneinander getrennte Herrschaftsbereiche sollten Frieden und Eintracht gewährleisten. Jedermann wußte, daß von dem fränkischen Kernland aus sowohl Aquitanien als auch Italien erobert worden waren. Kriege der Söhne untereinander sollten ausgeschlossen sein; Grenzstreitigkeiten sollten sie friedlich regeln (c. 14). Der Konsens der Großen zu Teilung und Friedenskonstitutionwurde – eine jetzt erstmals erkennbare Maßnahme – eigens eingeholt. Sogar für den Todfall des einen oder anderen seiner Söhne regelte Karl die Neuverteilung; und selbst die Enkel wurden in die Nachfolgeordnung einbegriffen (c.4). Wolle das Volk einen der Enkel zum Nachfolger seines Vaters wählen, sollten die beiden Vatersbrüder zustimmen (c.5).
    Die Friedenskonstitution regelte detailliert die Beziehungen zwischen den Brüdern. Ihr Vater ahnte, worüber Streit ausbrechen könnte, und suchte die Söhne auf den Frieden zu verpflichten. Keiner solle es wagen, das Gebiet eines anderen anzugreifen oder zu besetzen, vielmehr solle jeder dem anderen gegen innere wie äußere Feinde beistehen (c.7); keiner solle Flüchtlinge aus den Bruderreichen bei sich aufnehmen (c.8), Lehen sollten die Freien nur im Reichsteil ihres jeweiligen Herrn empfangen (c.9), wohl aber dürfe jeder Freie sich nach dem Tod seines Herrn entscheiden, wem er künftig dienen wolle (c.10); keiner der Söhne solle Grundbesitz und Hufen aus dem Reich eines anderen durch Kauf oder Übertragung erwerben (c.11); (freie) Frauen dürften über die Teilreichsgrenzen heiraten und die Völker durch Verschwägerungen einander verbinden, ihren Besitz im verlassenen Reichsteil dürften sie behalten (c.12); wenn Grenzstreitigkeiten aufträten, die nicht gerichtlich entschieden werden könnten, solle das Los entscheiden (
iudicio crucis Dei
), auf keinen Fall Kampf (c.14). Der Schutz der römischen Kirche wurden den drei Brüdern gemeinsam übertragen (c.15).
    Für seine engste Familie fürchtete der Kaiser Schlimmstes. In höchster Sorge gebot er, daß seine Töchter sich frei entscheiden dürften, wessen Schutz sie sich unter den Brüdern anvertrauen, ob sie Nonne werden oder heiraten wollten, ohne daß es ihnen

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