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Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Titel: Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Fried
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diente die verfügte Teilung, als Maßnahme gegen den Untergang. Karls eschatologische Sorgen waren damit nicht aufgehoben, sie beugten sich vielmehr christlicher Hoffnung. Gottgefällige Herrschaft trug ja seit alters dazu bei, den Fortbestand der Welt zu sichern. Der Apostel Paulus (2Thess2) hatte derartiges nach der Interpretation der Kirchenväter gelehrt[ 108 ].
    Die Nachfolgeordnung vereinte Altes mit Neuem. Sie ergänzte und vollendete die früheren Friedenserlasse, bündelte die wichtigsten Friedenskräfte und appellierte an das überkommene fränkische Teilungsrecht. Sie übertraf dasselbe aber zugleich als eine Art Haus- oder Reichsgrundgesetz von völkerübergreifender Geltung. Darauf deuten die römischen Gesetzgebern nachempfundene Herrschertitulatur, die dispositive Begrifflichkeit der Rechtsverfügungen: Autorität, Statuten, Dekrete und Übereinkunft sowie die Friedensstatute selbst. Bewahrt waren zugleich eine spezifisch fränkisch-karolingische Gedächtnisspur und mit ihr warnende Erfahrungen des Kaisers und seiner Zeitgenossen, ein unheilschwangeres Vergangenheitswissen. Karl wünschte, sein Reich nicht in Konfusion und Auflösung zu hinterlassen und ohne Streit und Kampf den drei gottgeschenkten Söhnen zu übertragen.
    Dafür wagte der Kaiser Neues. Nicht die Zuordnung von jeweils einem «gleichgewichtigen Teil» des Reiches an jeden Sohn, nicht die Realisierung einer irgendwie ideell fortbestehenden Reichseinheit bestimmten Karls Planungen, wie es das traditionelle fränkische Erbrecht verlangt hätte. Schon gar nicht gedachte er «einer möglichst gleichmäßigen Aufgabenverteilung» für gleichberechtigte Söhne, eines gemeinsam handelnden «Brüderkorps», «Corpus fratrum». Karl erkannte vielmehr in der anstehenden Teilung, wie sie nach fränkischem Erbrecht unvermeidlich war, eine große Gefahr für die Kirche, für den Frieden und die Völker seines Reiches und suchte Mittel, derselben vorgreifend zu wehren. Deshalb erhob er seine drei Söhne zu «Teilhabern am Königtum» (
regni consortes
) und verfügte die Teilung «des gesamten Reichskörpers» (
totum regni corpus
), damit ihnen nicht «chaotisch und destruktiv unter dem Vorwand des Gesamtreiches» (
confuse atque inordinate vel sub totius regni denominatione
) Streit hinterlassen werde. Keiner seiner Söhne sollte sich in die Belange der Reiche seiner Brüder einmischen. «Um der Eintracht des Friedens willen» teilte er in besorgter Voraussicht seine Herrschaft, wie es in Karls Durchführungsorder hieß. Das Volk wurde «zur Eintracht des Friedens» vereidigt.
    Die Teilungsformel der Konstitution, der «Divisio regnorum»,ist erhalten. Sie umschrieb keineswegs – wie gemäß der früheren und späteren Teilungen eigentlich zu erwarten gewesen wäre – drei «gleiche Teile», teilte gerade nicht
aequa lance
,
aequali sorte
oder
ex aequo
, wie es nach den «Metzer Annalen» oder bei Einhard (c. 3) über die Teilungen zwischen Karlmann und Pippin (741), dann zwischen Karl dem Großen und seinem Bruder Karlmann (768) hieß. Ein jeder sollte sich vielmehr mit dem Anteil am väterlichen Reich und Erbe zufriedengeben, den der Vater ihm jetzt zuwies.
    Die Brüder wurden ganz offenkundig – wie es unter den Franken auch sonst gelegentlich vorkam – gemäß Verdienst und Altersfolge unterschiedlich bedacht. Karl hatte dazu früher schon ein ‹Gutachten› Alkuins eingeholt, der die nun durchgeführte Praxis explizit für zulässig erklärt hatte. Der älteste Sohn Karl erhielt den größten und reichsten, Ludwig, der jüngste, sah sich benachteiligt und sollte sich mit dem geringsten, unbedeutendsten und einkunftsschwächsten aller Erbteile bescheiden. Den Ausgangspunkt bildeten die den beiden jüngeren Söhnen schon früher (781) zugewiesenen Königreiche Italien und Aquitanien, die um mehr oder weniger große Teile Alemanniens und Baierns, respektive um Septimanien, Provence und Teile Burgunds erweitert wurden. Der «Rest», die weithin ungeteilte «Francia», fiel mit einigen angrenzenden Gebieten – wie etwa dem eben eroberten Sachsen, dem Norden Alemanniens oder dem bairischen Nordgau – an Karl.
    Soweit bekannt wich diese Ordnung vom bisherigen Herkommen der fränkischen Könige entschieden ab, wonach gerade die «Francia» stets gleichmäßig unter die berechtigten Erben geteilt wurde; und auch später, in den Bruderkriegen der Söhne Ludwigs des Frommen, ging es stets um angemessene Anteile jedes Kaisersohnes am fränkischen

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