Karlo geht von Bord - Kriminalroman
verprügelt worden. Alfons konnte einfach seine Finger nicht bei sich lassen und oft griff er damit nach verheirateten Frauen. Nach einer letzten Affäre vor einem Jahr – als er die letzte Abreibung bekommen hatte – hatte er seiner Frau allerdings geschworen, von nun an sein aktives Interesse an anderen Damen einzustellen. Beate Wurm hatte ihrem Mann noch einmal eine Chance eingeräumt. Die letzte.
Zusammen betraten sie das Deck der
Römerberg
. Bis zum Ablegen war noch genug Zeit. Die Dämmerung hatte noch nicht eingesetzt, die Sonne näherte sich jedoch langsam dem Horizont. Der Himmel färbte sich allmählich orange und der Eiserne Steg setzte sich beeindruckend vor diesem Hintergrund in Szene. Beate Wurm schaute sich gut gelaunt um. Was sie sah, gefiel ihr. Die
Römerberg
war nicht das modernste Schiff der Linie, doch genau das machte ihren Charme aus. Für Wurms Frau sah es einfach noch mehr nach „Schiff“ aus. Sie mochte die kantigen, mehr dem Zweck geschuldeten Formen der moderneren Werfterzeugnisse nicht besonders. Der klassische, leicht geschwungene Bug der
Römerberg
ragte stolz in die Höhe, ein schmaler, von einer Reling gesäumter Steg umrundete den Schiffskörper und mündete harmonisch in das leicht gerundete Heck. Über jeweils eine Treppe gelangte man vom Salon aus auf das Freideck, das sich bis zum Heck des Schiffes erstreckte. Dort gab es von außen einen zusätzlichen Aufgang. Auch hier oben standen Tische und Stühle und man hatte bei Tagesfahrten im Sommer einen wundervollen Ausblick auf die langsam vorüberziehende Landschaft. Heute allerdings war das Freideck wegen der Veranstaltung ungenutzt. Das Schiff war eines der kleineren der Secundus-Linie, groß genug für die heutige Veranstaltung war es aber allemal.
Nach und nach trafen nun die Gäste ein, in der Mehrzahl Vertreter der zweiten Lebenshälfte. Es bestanden keine Vorschriften, was die Garderobe betraf, doch die meisten Passagiere erschienen in eher gediegener Kleidung. Die Herren trugen, wenn schon keine Krawatte, dann zumindest Sakko, die Rocksäume der Damen richteten sich in ihrer Höhe nach der erotischen Qualität dessen, das sie zu verhüllen trachteten.
Alfons Wurm fielen die drei jüngeren und äußerst leichtbekleideten Schönheiten deshalb besonders auf und er reagierte mit ziemlichen Stielaugen. Seine Frau bemerkte das selbstredend. Doch solange er nur guckte, versuchte sie sein Interesse zu ignorieren oder wenigstens zu tolerieren. Auch sie hatte schon das eine oder andere Mal einem hübschen Kerl hinterhergeschaut, war das nicht so? Das war doch normal, dachte sie und versuchte, sich zu entspannen. Doch trotz aller Bemühungen verfolgte sie argwöhnisch seinen Blick.
„Na klar“, dachte sie, als sie die bildhübschen Frauen sah und sein ziemlich schlecht verborgenes Interesse bemerkte. „Typisch Alfons.“
Ihre gute Stimmung bekam erste Risse. Dieser verdammte Schürzenjäger! Er konnte es einfach nicht lassen. Sie registrierte eifersüchtig, wie eine der drei Grazien ihren Mann mit großen Augen anstarrte.
Alfons Wurm bemerkte das naturgemäß ebenfalls und fühlte sich sofort enorm geschmeichelt. Sein Selbstbewusstsein wuchs in dem Maße, in dem die Laune seiner Frau sank. Das zu bemerken, war ihm nicht gegeben.
Die drei Frauen hatten sich geschickt postiert. Das Ehepaar Wurm musste auf dem Weg zu ihren Plätzen im Inneren des Schiffs zwangsläufig direkt an ihnen vorbeigehen. Alfons Wurm hatte beschlossen, der Dame, die ihn so auffällig gemustert hatte, im Vorbeigehen wenigstens verstohlen einen glühenden Blick zu widmen, als diese unvermittelt begann, haltlos zu kichern und sich überaus belustigt an ihre Freundinnen wandte.
Sie stupste ihre Begleiterinnen an, kicherte weiter und wies mit dem Zeigefinger auf Wurm: „Das ist er, guckt mal, das ist er, ich glaube es ja nicht“, zischelte sie leise, jedoch gerade noch laut genug, dass das Ehepaar Wurm mithören konnte.
„Wer ist das? Der Kerl aus dem Wald, ja? Von dem du neulich erzählt hast?“, prustete jetzt die Zweite los und hielt eine Hand in die Luft, wobei sie mit Daumen und Zeigefinger einen Abstand von zirka acht oder neun Zentimetern anzeigte.
„Sag nur. Der sieht gar nicht aus wie ein Exhibitionist“, erstaunte sich die Dritte ganz ernst.
Beate Wurm war konsterniert. Sie hatte dem Gespräch ungläubig gelauscht. Mein Gott, was war das nun wieder für eine Geschichte? Mit ungnädigem Blick wandte sie sich ihrem Mann zu.
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