Karneval der Lust: Erotischer Roman (German Edition)
sie in die Arme, bevor sie ganz zur Haustür hinein war. Sie drückte sie an ihren mächtigen Busen, als wollte sie sie nie wieder loslassen.
»Lämmchen, mein Lämmchen. Ich habe jeden Tag zu Gott gebetet, dass er dich zu mir zurückbringt. Er hat meine Gebete erhört.«
»Amadeo Bragadin hat mich zurückgebracht.«
»Gott hat sich seiner bedient.«
Ana war ungewöhnlich fromm geworden, sie schlug sogar ein Kreuzzeichen, ehe sie Giuliana in die Küche zog. Es sah alles aus wie immer: Der Tisch in der Mitte war zerkratzt und blank gescheuert, eine Handvoll Orangen lagen darauf. Im gemauerten Herd schwelte die Glut und warte darauf, neu geschürt zu werden. Der eiserne Dreifuß stand über der Kochmulde, die gescheuerten Kessel daneben, auf dem Bord an der Wand reihten sich die Teller nebeneinander, an den Haken darunter hingen Henkelkrüge. Es kam ihr so vor, als wäre sie nie weg gewesen, und erst in diesem Augenblick begriff sie, dass sie wirklich wieder zu Hause war.
»Lämmchen.« Ana ergriff ihre Hand und dirigierte sie auf den Stuhl, auf dem sonst ihr Vater saß. Als sie sich wieder erheben wollte, drückte Ana sie nieder. »Heute ist das dein Platz.«
»Warum kommt Vater nicht?«
»Er arbeitet an neuen Mosaiken für neue Auftraggeber. Es hilft ihm, mit der ganzen Sache fertig zu werden, wenn er arbeitet. So war er immer.«
So war er tatsächlich immer gewesen: Als sie geboren worden war, hatte er gearbeitet – das hatte ihr ihre Mutter erzählt; nachdem sie gestorben war, hatte er gearbeitet und mit niemandem gesprochen.
»Hast du Hunger? Ich kann dir eine Suppe machen, es ist noch ein Rest von gestern da. Ich habe auch Wurst und Käse oder geräucherte Würste. Nimm doch eine Orange.«
»Ana. Ich bin satt. Sie haben mir zu essen gegeben in Istanbul. Setz dich zu mir, ich mag nicht, wenn du wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Küche flatterst.«
Ana stellte eine Schale Dickmilch für Giuliana hin, bevor sie sich auf ihren üblichen Platz setzte. »Haben die Heiden dir etwas angetan? Oh Lämmchen. Dein Vater und ich haben gedacht, wir sehen dich nie wieder. Bis Amadeo Bragadin sich der Sache angenommen hat, haben wir nicht einmal gewusst, was dir passiert war. Wenn sie dich aus einem Kanal gezogen hätten …« Ana nahm einen Zipfel ihrer Schürze und betupfte sich damit die Augen. »Iss deine Dickmilch, die hast du immer so gerne gemocht.«
Giuliana war nicht hungrig, und sie war noch ein Kind gewesen, als sie sich für Dickmilch begeisterte, dennoch tauchte sie gehorsam den Löffel in die Schale. Die Milch war sahnig und sauer, hastig schluckte sie sie hinunter, verzichtete auf mehr.
»Sie haben mich gut behandelt in Istanbul. Ich habe in einem sehr reichen Haushalt gelebt und musste nichts tun, außer Singen und Tanzen zu lernen und wie man ein Instrument namens Saz spielt.«
»Pfui, diese Heiden haben nur ihr Vergnügen im Kopf.«
Was diese Heiden wirklich mit ihr vorgehabt hatten, erzählte sie Ana lieber nicht.
»Das kommt alles nur daher, weil du Giulio gewesen bist. Nie hätte ich mich zu dieser Maskerade überreden lassen sollen, nichts Gutes ist dabei herausgekommen. Lämmchen, du musst mir versprechen, nie wieder deine Kleider gegen den Anzug eines Lehrjungen zu tauschen.«
Giuliana zögerte einen Moment. Als Giulio durch Venedig zu streifen, an Orte zu gehen, die Frauen normalerweise verschlossen waren – wie Benedettas Haus oder das geheime Theater –, reizte sie. Doch Amadeo würde es bestimmt nicht erlauben, deshalb schüttelte sie den Kopf. »Ich werde heiraten und dann nur noch Giuliana sein.«
»Wen nimmst du zum Mann? Doch nicht einen von diesen Heiden?«
»Er ist ein so guter Christ wie wir beide. Amadeo Bragadin hat um meine Hand angehalten.«
»Der Sohn eines Patriziers.« Ana hörte sich nicht begeistert an – sie kannte Amadeo eben nicht sehr gut.
»Papa nimmt ihn als Lehrburschen an und hat endlich den Sohn, den er sich immer gewünscht hat. Alles wird gut, du wirst sehen.« Giuliana hielt es nicht länger auf dem Stuhl. Sie sprang auf und kniete sich neben Ana, umarmte die Haushälterin und schmiegte den Kopf an deren Oberschenkel, wie sie es als Kind so gerne getan hatte.
Amadeo streifte durch den Palazzo Bragadin. In der Rechten hielt er eine Kerze, die seinen Weg beleuchtete. Giuliana war mit ihrem Vater nach Hause zurückgekehrt, wie es sich für eine Verlobte gehörte. Dass sie die Hochzeitsnacht bereits vorweggenommen hatten, verschwiegen sie
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