Karparthianer 01 Mein dunkler Prinz
Stück spazieren gehen, Raven«, schlug er vor und ließ seine Hand gerade oberhalb des Knies auf ihrem Bein ruhen.
Sofort steigerte sich der Schmerz in ihrem Kopf ins Unermessliche, schien ihren Schädel wie mit Messerstichen zu traktieren. Ruckartig schüttelte sie Jacobs Hand ab. Die Dämonen in Mikhail tobten und wüteten und befreiten sich.
Nie zuvor hatte er so schreckliche Wut in sich gefühlt. Sie schien ihn einzuhüllen und von ihm Besitz zu ergreifen, bis er schließlich eins mit ihr war. Ein Mensch hatte Raven mit einer achtlosen Berührung grausame Qualen zugefügt, ohne es auch nur zu ahnen oder sich darum zu kümmern. Er hatte sie berührt, während sie geschwächt und schutzlos war. Ein Mann hatte es gewagt, sich ihr zu nähern. Mikhail flog pfeilschnell durch die Dunkelheit, während die kühle Nachtluft seine Wut nur noch anzufachen schien.
Raven spürte die Macht seines Zorns. Die Luft im Raum erschien plötzlich unerträglich drückend, und draußen erhob sich ein heulender Sturm. Aste schlugen gegen die Mauern des Gasthofs; die Fensterläden klapperten. Einige der Kellner bekreuzigten sich und blickten beklommen in die finstere, stemenlose Nacht hinaus. Im Speisesaal war es still geworden, als hielten alle Gäste gemeinsam den Atem an.
Jacob schnappte nach Luft und griff sich an die Kehle, als 28
müsste er sich aus einem Würgegriff befreien. Er lief rot an, und seine Augen traten aus den Höhlen. Shelly schrie auf.
Einer der Kellner eilte dem erstickenden Mann zu Hilfe. Die anderen Gäste standen auf und reckten die Hälse, um das Drama beobachten zu können.
Raven zwang sich zur Ruhe. Die Gefühle, die sie umgaben, waren zu mächtig, als dass sie davon keinen Schaden davontragen würde. Gib ihn frei . Stille war die Antwort.
Obwohl der Kellner verzweifelt versuchte, ihm Linderung zu verschaffen, sank Jacob auf die Knie, einer Ohnmacht nahe.
Ich bitte dich. Gib ihn frei, um meinetwillen.
Jacob atmete tief ein. Er röchelte schrecklich und hustete.
Seine Schwester und Margaret Summers knieten mit Tränen in den Augen neben ihm. Instinktiv ging Raven auf ihn zu.
Fass ihn nicht an! Der Refehl ertönte ohne mentale Verstärkung und wirkte dadurch umso bedrohlicher.
Raven wurde von den geistigen Strömungen um sie herum förmlich belagert. Jacob strahlte Schmerzen und Panik aus, Shelly hatte Angst, der Gastwirt war erschrocken, und die anderen Gäste waren schockiert. Die Gefühle überfluteten Raven und schwächten sie in ihrem ohnehin angegriffenen Zustand. Doch sein überwältigender Zorn war es, der sie am meisten quälte. Ihr Magen rebellierte und krampfte sich zusammen, sodass sich Raven am liebsten zusammengekrümmt hätte. Verzweifelt sah sie sich nach dem Waschraum um. Sie lief Gefahr, den Verstand zu verlieren, falls jemand sie berühren oder ihr zu Hilfe kommen sollte.
»Raven.« Die Stimme klang warm und sinnlich. Eine Oase der Ruhe inmitten des Tumults. Dunkel und samtig, unendlich beruhigend.
Es wurde eigenartig still im Speisesaal, als Mikhail eintrat.
Er strahlte Stolz, Arroganz und absolute Autorität aus. Er 29
war groß, dunkelhaarig und von athletischer Statur. Doch es waren seine Augen, dunkel und geheimnisvoll, die die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich zogen. Mit diesen Augen konnte er Menschen in seinen Bann schlagen wie mit seiner Stimme. Er durchquerte den Raum so zielstrebig, dass die Angestellten ihm sofort Platz machten.
»Mikhail, es ist uns eine Ehre, Sie hier begrüßen zu dürfen«, sagte die Wirtin, außer Atem vor Überraschung.
Mikhail bedachte sie mit einem flüchtigen Blick. »Ich bin gekommen, um Raven abzuholen. Wir sind miteinander verabredet.« Er sprach mit leiser, fester Stimme, und niemand wagte es, einen Einwand zu erheben. »Sie hat mich zu einer Schachpartie herausgefordert.«
Die Wirtin nickte lächelnd. »Ich wünsche viel Vergnügen.«
Raven schwankte und presste die Hände auf ihren schmerzenden Magen. Ihre saphirblauen Augen schienen ihr ganzes Gesicht einzunehmen, als sie ihn beobachtete.
Ehe sie reagieren konnte, hatte er sie erreicht und streckte die Arme nach ihr aus.
Nicht ! Raven schloss die Augen. Sie fürchtete seine Berührung. Schon jetzt war sie überwältigt von den Gefühlen der anderen; sie würde seine starken Emotionen keinesfalls ertragen können.
Mikhail zögerte nicht, sondern hob sie auf seine Arme und drückte sie an seine muskulöse Brust. Seine Züge wirkten wie in Granit gemeißelt, als er sich
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