Karparthianer 01 Mein dunkler Prinz
Steinen.
»Ich hätte heute Nacht beinahe eine Frau getötet«, gestand 90
er mit rauer Stimme. In seinen Augen spiegelte sich der tiefe Schmerz, den er empfand. »Du hast mir einmal gesagt, Gott habe uns aus einem bestimmten Grund erschaffen. Auch wir seien seine Kinder. Aber ich bin mehr Tier als Mensch, Edgar, und kann mir nicht länger etwas vormachen. Ich würde nur zu gern die ewige Ruhe suchen, aber selbst das bleibt mir verwehrt. Eine Bande von Mördern bedroht mein Volk, und ich kann die anderen nicht im Stich lassen, solange sie in Gefahr schweben. Und nun ist auch noch meine Frau gefährdet, nicht nur durch mich, sondern auch durch meine Feinde.«
Edgar zog ruhig an seiner Pfeife, »du sagtest >meine Frau<. Liebst du sie?«
Mikhail winkte ab. »Sie gehört zu mir.« Es war eine klare Feststellung. Wie hätte er von Liebe sprechen können? Es war ein schwaches Wort für das, was er empfand. Raven war rein und makellos. Güte. Mitgefühl. Sie besaß alles, was ihm fehlte.
Edgar nickte. »Ja, du bist in sie verliebt.«
Mikhail warf ihm einen finsteren Blick zu. »Ich begehre.
Ich verlange. Ich brauche. Diese Dinge machen mein Leben aus.« Seine Worte klangen gequält, als wollte er erzwingen, dass sie zur Wahrheit wurden.
»Warum empfindest du dann solche Pein, Mikhail? Du wolltest sie und brauchtest sie vielleicht sogar. Ich nehme an, du hast sie dir genommen. Du verlangtest nach ihr, und ich vermute, du hast deinen Hunger gestillt. Was quält dich so?«
»Du weißt, dass wir unseren Hunger nicht mit Frauen stillen dürfen, nach denen wir uns in anderer Weise sehnen.«
»Aber du hast mir einmal erklärt, dass du schon seit Jahr-91
hunderten kein sexuelles Verlangen mehr verspürt hast, dass du keinerlei Gefühle mehr kennst«, erinnerte Edgar ihn sanft.
»Ich empfinde etwas für sie«, gestand Mikhail. »Ich sehne mich in jeder Sekunde nach ihr. Ich brauche sie. Großer Gott, ich muss sie einfach haben. Nicht nur ihren Körper, sondern auch ihr Blut. Ich begehre alles von ihr, obwohl es mir verboten ist.«
»Aber du hast dir trotzdem genommen, was du wolltest?«
»Ja. Und damit hätte ich sie beinahe umgebracht.«
»Doch dazu ist es nicht gekommen. Sie lebt noch. Es ist nicht das erste Mal, dass du dich hast hinreißen lassen. Hat es dich früher auch so sehr gequält?«
Mikhail wandte sich ab. »Du verstehst mich nicht. Es lag an der Art, wie es geschah, und an den Dingen, die ich danach tat. Davor habe ich mich gefürchtet, seit ich zum ersten Mal ihre Stimme hörte.«
»Wenn es nie zuvor geschehen ist, wie konntest du dich dann davor fürchten?«
Der Karpatianer ließ den Kopf sinken und ballte die Fäuste. »Ich wollte sie, konnte mich nicht dazu bringen, von ihr abzulassen. Ich wollte, dass sie mich kennen lernt und von meinen dunkelsten Seiten erfährt. Sie sollte meine Seele sehen. Und ich wünschte mir, sie an mich zu binden, sodass sie mich nie mehr verlassen würde.«
»Also ist sie ein Mensch.«
»Ja, doch sie verfügt über telepathische Fähigkeiten und steht in geistiger Verbindung zu mir. Sie ist bildschön und die Güte selbst. Ich hatte mir geschworen, ihr nichts anzu-tim, obwohl ich wusste, dass ich den Schwur brechen wür-de.«
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»Obwohl du wusstest, dass du etwas Unrechtes tun würdest, hast du es trotzdem getan. Also musst du einen sehr gewichtigen Grund dafür gehabt haben.«
»Ja, meine Selbstsucht. Hör mir doch nur zu. Ich, ich, ich, von nichts anderem ist die Rede. Ich fand einen Grund, um weiterzuleben, und ich nahm mir etwas, das mir nicht gehörte. Selbst jetzt, während wir darüber reden, weiß ich genau, dass ich sie nicht aufgeben werde.«
»Akzeptiere deine Natur, Mikhail. Nimm dich so an, wie du bist.«
Mikhail lachte bitter. »Für dich ist alles so einfach. Du sagst, ich sei eines von Gottes Kindern, ich hätte eine Bestimmung und müsse meine Natur akzeptieren. Aber meine Natur ist es, mir zu nehmen, was mir gehört, es festzuhalten und zu beschützen. Es mit Gewalt an mich zu binden, wenn es nötig ist. Ich kann sie nicht gehen lassen. Sie ist wie der Wind, ungebunden und frei. Wenn ich den Wind einsperre, müsste er nicht vergehen?«
»Dann sperre sie nicht ein, Mikhail. Vertraue darauf, dass sie bei dir bleibt.«
»Wie soll ich sie beschützen, Edgar?«
»Du sagtest, dass du sie nicht gehen lassen kannst, Mikhail.
Nicht etwa, dass du es nicht willst. Das ist ein Unterschied.«
»Nur für mich. Was ist mit ihr? Welche Chance lasse ich
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