Karparthianer 02 Dunkle Macht des Herzens
sollte sie aus dem Gleichgewicht bringen. Noch dazu war sich Shea ihres Wertes durchaus bewusst und hatte vollständiges Vertrauen in sich.
Sie hob trotzig das Kinn und ging in den Hauptraum ihrer Hütte zurück, schaute aber nicht in Jacques'
Richtung, als sie den Kühlschrank öffnete und eine Flasche Apfelsaft herausnahm. Ihr Magen schnürte sich 104
zusammen. Bei der Vorstellung, die Flüssigkeit zu schlucken, wurde ihr übel. Irgendetwas in ihrem Inneren hatte sich dramatisch verändert, ganz, wie sie vermutet hatte. Sie musste Blutproben nehmen,um herauszufinden, was genau mit ihrem Körper los war. Aber zum ersten Mal in ihrem Leben widerstrebte es ihr, medizinische Daten zu überprüfen.
Was machst du da ? Er klang neugierig.
»Ehrlich gesagt, ich weiß es selbst nicht. Ich dachte, ich trinke etwas Saft, aber . . . « Sie brach ab, weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte. Shea hatte immer ein festes Ziel vor Augen, eine bestimmte Richtung, doch jetzt war sie ernsthaft ins Trudeln geraten. Sie goss den Saft in ein Glas und starrte es hilflos an.
Du wirst dich damit krank machen. Rühr das Zeug nicht an!
»Warum sollte ich von Apfelsaft krank werden?«, fragte sie neugierig. Wusste er, was mit ihr passiert war?
Du brauchst Blut. Du bist noch lange nicht kräftig genug.
Ich habe deinen Körper untersucht. Obwohl ich im Moment noch nicht in der Lage bin, dir zu helfen, kann ich das Bedürfnis nach entsprechender Nahrung erkennen. Dein Körper kann die Anforderungen, die du an ihn stellst, nicht bewältigen.
»Ich wünsche nicht darüber zu diskutieren, was ich tun oder lassen sollte.« Sein besorgter, liebevoller Ton irritierte sie. Seine Stimme weckte in ihr den Wunsch, alles zu tun, was er von ihr verlangte, einschließlich Blut zu trinken. Sie konnte es riechen. Sie konnte hören, wie sein Herz schlug und wie sein Blut durch seine Adern floss. Einen Herzschlag lang ließ sie den Klang in ihrem Kopf widerhallen, um den Hunger zu stillen, der an ihr nagte. Sie biss sich fest auf die Unterlippe. Sie musste 105
unbedingt auf Distanz gehen! Er hatte eine erschreckend starke Persönlichkeit. Irgendetwas in ihr, etwas Wildes, von dem sie nicht gewusst hatte, dass es ein Teil von ihr war, rief nach ihm. Die Chemie war so stark, dass sie sich beinahe schmerzlich danach sehnte, ihn einfach nur anzuschauen. Shea schob den Riegel der Haustür zurück, um sie zu öffnen.
Halt! Der Befehl klang leise und drohend, aber sie erhaschte auch einen Hauch von Verzweiflung. Die Tür schien von einer unsichtbaren Kraft aus ihrer Hand gerissen und zugeschlagen zu werden. Shea ließ vor Schreck ihr Glas fallen. Es zersplitterte auf dem Boden.
Sie sah zu, wie der Apfelsaft sich zu einem goldbraunen Fleck ausbreitete, in einem seltsamen Muster, das fast an die gähnenden Kiefer eines Wolfs erinnerte.
Nur mit Mühe fand Jacques seine Selbstbeherrschung wieder. Es war die reine Hölle, so hilflos dazuliegen und Gefangener eines nutzlosen Körpers zu sein. Er holte tief Luft, ließ sie langsam wieder entweichen und gab damit das Entsetzen frei, das Sheas unbedachte Handlung hervorgerufen hatte. Tut mir leid, Shea. Du hast nicht überprüft, oh irgendwo in der Nähe eine Gefahr lauert. Wir werden gejagt. Das darfst du nie verges-sen. Du musst in meiner Nähe bleiben, damit ich dir von Nutzen sein kann, wenn du irgendwie bedroht wirst. Ich wollte dich nicht erschrecken.
Sie starrte ihn aus verwirrten grünen Augen an. »Was meinst du damit, dass ich die Umgebung überprüfen soll?« Sie sagte es geistesabwesend, als wäre sie in Gedanken woanders.
Komm zu mir. Seine Stimme strich über ihre Haut.
Jacques streckte eine Hand aus und sah sie aus 106
hungrigen Augen an. Er wollte etwas von ihr, das sie sich nicht auszumalen wagte.
»Kommt nicht infrage!« Er sah so sinnlich, so sexy aus, dass es ihr den Atem verschlug. Sie tastete nach der Wand in ihrem Rücken und lehnte sich an.
Ich verlange nicht viel. Komm zu mir. Es sind nur ein paar Schritte. Schwarzer Samt hüllte sie ein, Wärme erfüllte ihr Inneres.
Sie sah ihn forschend an. »Du weißt, was mit mir los ist, nicht wahr? Du hast irgendetwas mit mir angestellt.
Ich weiß es. Ich fühle es. Sag mir, was du gemacht hast.«
Ihr Gesicht war sehr blass, der Blick ihrer großen Augen anklagend.
Wir sind eins, für immer aneinander gebunden.
Ein flüchtiger Eindruck von Ratlosigkeit entstand.
Jacques, der sich wie ein Schatten in ihrem Bewusstsein bewegte,
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