Karparthianer 02 Dunkle Macht des Herzens
beißen.
Jedes Mal wenn er spürte, wie der Hunger sie quälte, konnte er beobachten, dass sie ihn anscheinend verdrängen konnte, genauso wie sie vorübergehend ihn 112
selbst aus ihrem Denken verbannt hatte. Das störte ihn ein bisschen, aber andererseits War er stolz auf sie. Was sie auch tat, stets war sie mit vollem Einsatz bei der Sache. Doch indem Shea sich so sehr von ihrer Arbeit fesseln ließ, dass sie alles andere ringsum ausschloss, ignorierte sie die Gefahr, in der sie selbst schwebte.
Jacques spielte mit dem Gedanken, sie an die Risiken zu erinnern, entschied sich dann aber stattdessen dafür, wachsam genug zu bleiben, um die Umgebung zu überprüfen, während er in den leichten Schlummer der Sterblichen fiel, aus dem er immer wieder aufwachte.
Vier Stunden später riss Jacques sich schlagartig aus dem Schlaf und verfluchte seine erbärmliche Verfassung, die Schmerzen durch seinen ganzen Körper kreisen ließ.
Er fühlte sich hungrig und geschwächt, und ihm war schwindlig. Schwarze Augen hefteten sich auf Shea. Sie spähte in ein Notizbuch, einen Bleistift zwischen die Zähne geklemmt. Ihre Haut war so blass, dass sie beinahe durchsichtig wirkte. Die intensiven Emotionen im Raum gingen von ihr aus, aber sie schien es nicht wahrzunehmen. Ihr Geist wehrte sich dagegen, sich mit seinem zu vereinen; er konnte fühlen, wie sich ihr Denken wie von selbst auf ihn ausrichtete und schmerzhaft nach der Verbindung verlangte, aber Shea war diszipliniert, stark und sehr entschlossen. Sie brachte ihre Gedanken wieder unter Kontrolle, indem sie sich auf ihre Arbeit konzentrierte.
Er spürte, wie irgendetwas in der Gegend seines Herzens schmolz. Eiskalter Hass und Zorn, das Verlangen nach Rache, nach Vergeltung, all diese Gefühle waren die Kräfte gewesen, die ihn dazu getrieben hatten, am Leben zu bleiben. Er hatte nicht 113
geglaubt, zu Zärtlichkeit fähig zu sein, und doch rief Shea diese Empfindung in ihm wach. Mehr als alles andere war er ein Raubtier. Shea war das Licht in seiner Dunkelheit und strahlte Schönheit aus, als schiene sie von ihrer Seele durch ihre Haut hindurch. Sie hatte mildere Gefühle in ihm hervorgerufen.
Sie brauchte eine Pause, Erholung. Vor allem aber brauchte sie Nahrung. Und wenn er ganz ehrlich war, brauchte er ihre Berührung, ihre Aufmerksamkeit. Mit zurückgelegtem Kopf und geschlossenen Augen gab er im Geist bewusst ein Stöhnen von sich. Er spürte, dass sie sofort aufmerksam wurde und sich um ihn sorgte. Das Rascheln von Papier verriet ihm, dass sie ihre Notizen beiseite gelegt hatte. Jacques unterdrückte das leise Triumphgefühl, indem er sich auf die Schmerzen konzentrierte, die seinen geschundenen Körper peinigten.
Shea glitt durch den Raum, ohne sich bewusst zu sein, wie lautlos, schnell und anmutig zugleich sie sich bewegte. Ihre Hand legte sich kühl und beruhigend auf seine Stirn. Dann strich sie so zart sein strähniges Haar zurück, dass ihm das Herz wehtat, bevor sie sich über ihn beugte, um mit fachmännischem Blick seine Wunden zu begutachten. Antibiotika würden bei ihm genauso wenig wirken wie bei ihr selbst. Vielleicht half frische Erde.
»Es tut mir leid, dass ich nichts gegen deine Schmerzen tun kann, Jacques. Ich würde sie dir nehmen, wenn ich es könnte.« Ihre Stimme war voller Anteilnahme und Bedauern. »Ich hole frische Erde und wasche dir dein Haar. Das ist nicht viel, aber vielleicht wirkt es beruhigend.« Ihre Finger strichen erneut über seine 114
dichte Mähne und streichelten dann leicht und lieb-kosend über sein Kinn.
Seine Hände fuhren abrupt in die Höhe, um sie mit erstaunlicher Kraft festzuhalten, und seine schwarzen Augen hielten ihren Blick so fest, dass sie das Gefühl hatte, vornüber in diese dunklen, geheimnisvollen Teiche zu fallen. Du hast keine Nahrung zu dir genommen. Sie hätte sich für immer in seinem Blick verlieren können. Sie konnte hören, wie sich ihr Herzschlag auf seinen abstimmte. Es schien seltsam und gleichzeitig ganz natürlich, dass ihre Herzen im selben Takt schlagen wollten.
»Ich trinke kein Blut. Ich gebe mir eine Transfusion, wenn es nicht anders möglich ist, aber ich kann mich nicht dazu überwinden, es zu trinken«, erklärte sie ruhig.
Sie spürte jetzt, wie er sanft und liebevoll, aber auch mit unbeugsamer Autorität an ihr Bewusstsein rührte. Sein Wille war so stark, dass ihm nichts widerstehen konnte, wenn er darauf bestand.
Sie wollte, dass er sie verstand. »Ich bin ein Mensch,
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