Karparthianer 02 Dunkle Macht des Herzens
wollte er ihr sagen? Dass er nicht an einer Blutkrankheit litt, sondern einer anderen Rasse angehörte . . . einer anderen Spezies? »Wir wissen nicht, wie lange du dort unten in deinem Kerker gewesen bist«, entgegnete sie unsicher, während sie langsam den Saft aufwischte.
Wann hat man dir das Bild von mir gezeigt?
Shea warf die Scherben in den Mülleimer. »Vor zwei Jahren«, gab sie widerstrebend zu. »Die Vampirmorde ereigneten sich vor sieben Jahren. Diese Männer behaupteten, auf den Fotos wären die Opfer zu sehen.
Aber du kannst unmöglich - absolut unmöglich - so lange überlebt haben. Das würde bedeuten, dass du sieben Jahre lang mit einem Pfahl in deinem Körper lebendig begraben warst. Das ist ausgeschlossen, Jacques.« Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn aus ihren großen Augen an. »Oder etwa nicht?«
Nicht, wenn ich die Funktion von Herz und Lungen einstelle. Dann fließt mein Blut nicht, erwiderte er vorsichtig, um sie nicht noch mehr zu beunruhigen.
Es hatte genau den gegenteiligen Effekt. »Das kannst du? Wirklich?« Jetzt war sie aufgeregt. »Du kannst deine Pulsfrequenz kontrollieren, dein Herz langsamer oder schneller schlagen lassen? Mein Gott, Jacques, das ist unglaublich! Es gibt Mönche, die das können, aber nicht in dem Ausmaß, das du andeutest.«
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Ich kann mein Herz stillstehen lassen, wenn es sein muss.
Du kannst es auch.
»Nein, kann ich nicht.« Sie tat den Gedanken mit einer wegwerfenden Handbewegung ab. »Und das hast du wirklich gemacht? Dein Herz stillstehen lassen? Hast du es auf diese Weise überlebt, lebendig begraben zu sein?
Mein Gott, das muss dich wahnsinnig gemacht haben!
Ich weiß nicht, ob ich das glauben kann. Wie hast du gegessen? Du warst mit beiden Händen angekettet.«
Ich bin nur selten aufgewacht, immer nur dann, wenn ich in der Nähe Blut witterte. Ich habe Tiere zu mir gerufen. Das kann ich, du musst es wissen. Es befriedigte ihn, ihr zumindest diese eine Information geben zu können. Ich konnte ein Loch ins Holz kratzen, damit sie zu mir hereinkamen.
Auch Shea konnte Tiere zu sich rufen; sie hatte diese Fähigkeit seit ihrer Kindheit. Und diese Gabe, die sie gemeinsam hatten, erklärte die Rattenkadaver, die sie bei ihm in der Wand vorgefunden hatte. »Willst du damit sagen, dass es noch andere gibt, die so etwas können?«
Sie lief zu ihrem Computer und schaltete den Generator an, damit sie arbeiten konnte. »Woran kannst du dich noch erinnern?«
Sie war so aufgeregt, dass er ihr gern mehr Informationen gegeben hätte, aber so sehr er sich auch anstrengte, ihm fiel nichts mehr ein. In seinem Kopf hämmerte es, und die Erinnerungen entglitten ihm. Shea, die spürte, wie verstört er war, spähte zu ihm und sah den dünnen Schweißfilm auf seiner Stirn.
Sofort trat ein Ausdruck von Wärme in ihre Augen, und ihr weicher Mund verzog sich zu einem zerknirschten Lächeln. »Es tut mir leid, Jacques. Es war 111
gedankenlos von mir, dich so unter Druck zu setzen.
Versuch fürs Erste, gar nicht nachzudenken. Irgendwann wird dir alles wieder einfallen. Ich habe hier genug zu tun. Ruh dich einstweilen aus.«
Dankbar für ihr Verständnis und ihr Mitgefühl, ließ Jacques zu, dass die Fragmente seiner Erinnerungen verblassten und ihn in Ruhe ließen. Interessiert beobachtete er, wie Shea sich selbst Blut aus der Vene abnahm und es auf einige kleine Glasplättchen gab. Ihre Anspannung und ihre freudige Erregung waren so groß, dass sie ihren nagenden Hunger überlagerten. Ihr Verstand verarbeitete Fakten, Hypothesen und eine Fülle von Daten. Ganz plötzlich war sie weit weg von ihm, völlig in ihre Arbeit vertieft. Jacques schaute ihr zu, griff nach dem Glas auf dem Nachttisch und leerte es, um seinen eigenen schrecklichen Hunger zu stillen.
Auch noch nach einer Stunde konnte er feststellen, dass Shea sich ausschließlich auf ihre Arbeit konzentrierte. Er schaute ihr gern zu, fand es faszinierend zu beobachten, wie sie den Kopf hin und her wandte, oder den Saum ihrer langen Wimpern im Profil zu betrachten. Wenn sie ratlos war, fuhr sie sich oft durchs Haar oder nagte mit ihren kleinen Zähnen an ihrer vollen Unterlippe. Ihre Finger flogen über die Tastatur, und ihr Blick war unverwandt auf den Bildschirm gerichtet. Häufig schlug sie mit einem leichten und sehr charmanten Stirnrunzeln etwas in ihren Notizen oder Büchern nach. Er stellte fest, dass er diese kleine Stirnfalte mochte, ebenso wie Sheas Gewohnheit, sich auf die Lippe zu
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