Karparthianer 02 Dunkle Macht des Herzens
wissenschaftlichem Gebiet Interesse zu erregen.
Ich brauchte täglich Transfusionen, war aber trotzdem sehr schwach. Als ich ein paar Jahre alt war, kamen zwei Männer zu uns nach Hause und stellten meiner Mutter eine Menge Fragen über mich. Ich konnte ihre Stimmen hören und bekam Angst. Ich versteckte mich unter dem Bett, weil ich Angst hatte, sie könnte mich holen. Das tat sie nicht. Sie jagten meiner Mutter genauso viel Angst ein wie mir. Sie packte unsere Sachen und zog mit mir weg.«
Du bist sicher, dass deine Mutter nie Blut angerührt hat?
Er fragte sehr behutsam, weil er befürchtete, sie könnte aufhören, über Dinge zu sprechen, die für sie offensichtlich sehr schmerzlich waren. Er konnte ihr kaum helfen - nur indem er sie in seinen Armen hielt und ihr ein Gefühl von Geborgenheit gab.
»Nie. Sie war wie ein schöner Schatten, der diese Welt bereits verlassen hatte. Sie dachte nur an ihn. An Rand, meinen Vater.«
Der Name rief eine schmerzliche Erinnerung in ihm wach, so intensiv, dass er sie entgleiten ließ, bevor er sie 163
festhalten konnte. Du hast ihn nie kennengelernt? Allein der Gedanke an den Mann, den sie als ihren Vater bezeichnete, schien Glassplitter durch seinen Kopf zu treiben.
»Nein. Er war mit einer Frau namens Noelle verheiratet.«
Jacques empfand jähen Schock über die Erkenntnis, dass ihm dieser Name vertraut war, dann untrösüichen Kummer. Er sah eine Frau vor sich, die einmal schön gewesen war, enthauptet, ein Pfahl durch ihr Herz gerammt. Die Erinnerung war so lebhaft, dass Jacques fast daran erstickte. Hastig verdrängte er die Information in den hintersten Winkel seines Denkens. Aber er hatte die Frau erkannt. Noelle.
Shea hob den Kopf und schaute ihn aus ihren grünen Augen forschend an. »Du kennst sie.« Sie erlebte seine Erinnerung mit, sah dieselben Bildfragmente. Der Anblick und die Brutalitat dieses Todes bereiteten ihr Übelkeit. Die Frau war nach dem Ritual des
»Vampirtötens« ermordet worden: Enthauptung und dann ein Pfahl ins Herz.
Sie ist tot. Er sagte es mit absoluter Gewissheit und voller Trauer. Sie war meine Schwester.
Sheas Gesicht wurde weiß. »Hatte sie einen Sohn?«
Ein männliches Kind, ja.
»O Gott!« Shea riss sich aus seinen Armen, als hätte sie sich verbrannt, sprang auf und bedeckte ihre Brüste. Ihre Augen waren weit aufgerissen. »Das wird ja immer schlimmer! Mein Vater war vermutlich der Ehemann deiner Schwester.« Entsetzt trat sie einen Schritt vom Bett zurück.
Das muss nicht sein. Wir leben in einer großen Welt.
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»Wie viele Rands aus den Karpaten, die so sind wie du, kann es schon geben? Jemand, der mit einer Frau namens Noelle verheiratet war und einen Sohn mit ihr hatte? Das stand alles im Tagebuch meiner Mutter.«
Vampirjäger stießen ihr einen Pfahl ins Herz. Vor vielen Jahren. Jahre, bevor sie mich erwischten. An mehr kann ich mich nicht erinnern. Vielleicht will ich es auch nicht.
Shea suchte nach einem frischen Hemd und zog es über ihren Kopf. »Es tut mir so leid für sie. Es tut mir leid für meine Mutter. Das ist alles so falsch!« Sie umschloss mit einer weit ausholenden Handbewegung das Bett.
»Wir sind wahrscheinlich irgendwie miteinander verwandt.«
Karpatianische Gefährten sind füreinander bestimmt, Shea. Es gibt nur einen für jeden von uns. Was deine Eltern oder meine Schwester getan haben, hat nichts mit uns zu tun.
»Hat es doch! Wir wissen nicht, wer du wirklich bist.
Wir wissen praktisch überhaupt nichts über dich. Was ich hier mit dir mache, verstößt gegen sämtliche ethischen Regeln meines Berufsstands. Wir wissen nicht einmal, ob du verheiratet bist.«
Es gibt nur eine Gefährtin, Shea. Ich weiß, wie neu und be-
ängstigend das alles für dich ist, aber genauso wie ich hilflos hier liegen muss, musst du Geduld haben. Wir kommen nur stückchenweise an Informationen heran. Ich kann mich nicht an Dinge erinnern, von denen ich weiß, dass sie wichtig für uns sind. Ich bitte dich, nicht die Geduld zu verlieren, während wir diese Dinge klären. Er rutschte unruhig hin und her.
Die Bewegung brachte sie wieder zu sich und ernüchterte sie mehr, als etwas anderes es vermocht hätte. »Du passt nicht auf dich auf, Jacques. Du darfst 165
dich nicht bewegen.« Sie beugte sich über ihn und legte eine Hand kühlend auf seine brennende Haut. Die Wunde unterhalb seines Herzens begann zu verheilen.
Ihr langes Haar fiel nach vorn und kitzelte seinen Unterleib, und als sie sich nach
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