Karparthianer 02 Dunkle Macht des Herzens
vorn lehnte, um die Wunde zu begutachten, streifte die Wärme ihres Atems seine Haut wie eine tanzende Flamme.
Jacques schloss die Augen, als sich jeder Muskel in seinem Körper anspannte. Seine Reaktion auf Shea sagte ihm mehr als alles andere, dass er sich allmählich erholte.
Seine Hand vergrub sich in der seidigen Fülle ihrer Haare. Ich weiß, dass du daran denkst, mich zu verlassen, wenn ich wieder ganz bei Kräften bin, Shea. Ihre großen Augen hefteten sich auf sein Gesicht und beobachteten, wie er ihr weiches Haar an seinen Mund presste. Du hast Angst vor mir. Ich kann die Angst in deinen Augen sehen.
Shea fuhr sich flüchtig mit der Zunge über ihre Unterlippe. Sie schien zu überlegen. Jacques stellte fest, dass sie wieder einmal ihre Fähigkeit einsetzte, Emotionen beiseite zu schieben, wie immer, wenn sie sich in irgendeiner Weise bedroht fühlte. Ihr Intellekt übernahm die Führung und schätzte die Situation zwischen ihnen beiden ein. »Ich weiß nicht, was du bist, Jacques, oder wozu du imstande bist, wenn du dich wieder ganz erholt hast. Ich weiß nichts über deine Vergangenheit oder Zukunft. Ich bin Arztin und Forscherin, und es ist durchaus möglich, dass wir nicht das Geringste gemeinsam haben, wenn dein Heilungsprozess erst einmal abgeschlossen ist.«
Sein schwarzer Blick ruhte unverwandt auf ihrem Gesicht, eindringlich und wachsam. Selbst sein Körper wirkte völlig unbewegt. Du hast Angst vor mir. Er wollte, 166
dass sie sich den Dingen stellte, ihnen nicht auswich. Du hast keinen Grund, mich zu fürchten.
Shea warf den Kopf zur Seite, sodass ihr rotes Haar in alle Richtungen wogte. »Glaubst du das wirklich?
Jacques, du stellst alles infrage, was ich je über das Leben gewusst habe. Du hast mich verändert. Wenn ich vorher nur zur Hälfte Karpati-aner oder Vampir oder was auch immer war, hast du es jetzt irgendwie geschafft, mich ganz in deine Welt zu holen. Ich bin anders als vorher.
Ich kann nichts essen, meine normalen menschlichen Körperfunktionen setzen aus, und mein Gehör ist noch schärfer geworden. Alle meine Fähigkeiten haben sich verstärkt, einfach alles. Du hast mir das Leben genommen, das ich kannte, und mir dafür etwas gegeben, von dem wir beide nicht das Geringste wissen.«
Sie schüttelte den Kopf und gab dann dem Verlangen nach, mit ihren Fingern durch sein pechschwarzes Haar zu fahren. »Ich will nicht so wie meine Mutter werden, Jacques, und nur für einen Mann leben. Als mein Vater sie verließ, wartete sie nur so lange, bis ich sie ihrer Meinung nach nicht mehr brauchte. Dann brachte sie sich um. Das ist keine Liebe, sondern Besessenheit. Und kein Kind von mir wird je erleiden, was ihre zwanghafte Fixierung auf Rand mir angetan hat.«
Er atmete ihren Duft ein, und wieder spürte er die Hitze, die ihn mit dem heftigen Verlangen erfüllte, sich mit ihr zu vereinen und wahrhaft eins mit ihr zu werden.
Ich brauche dich, Shea. Ist der Gedanke, dass du mich liehen könntest, so unvorstellbar? Ich fühle, dass du mich so annimmst, wie ich bin. Ich weiß es. Rand und deine Mutter haben nichts mit uns zu tun. Du hast die Dunkelheit in mir gesehen, das Tier, das sich durchsetzen wollte, aber du bist 167
trotzdem geblieben. Die Jahre meiner Gefangenschaft mögen zerstört haben, was ich ursprünglich einmal war, und ich weiß nicht, wer ich jetzt bin. Aber ich weiß, dass ich dich brauche.
Könntest du mich wirklich allein lassen ?
Sie spürte seine Verzweiflung. »Du bist kein Monster!
Das darfst du nicht glauben! Ein Monster könnte mich nie mit so viel Zärtlichkeit berühren.« Ihr Körper war rastlos und von einem Verlangen erfüllt, wie sie es noch nie zuvor erlebt hatte. »Du wolltest mich, Jacques, aber du hast trotzdem aufgehört. Du bist kein Monster.«
Vielleicht haben mich meine Wunden behindert, nicht meine Selbstbeherrschung. Shea hatte ihn aufgehalten, indem sie das Tier in ihm akzeptierte.
»Du bist müde, Jacques. Schlaf eine Weile.«
Er nahm ihre Hand und strich mit dem Daumen über die Innenseite ihres Handgelenks. Ich bin kein Vampir. Ich habe mich nicht der dunklen Seite zugewandt.
»Ich verstehe nicht, was du meinst.«
Er schloss die Augen und lächelte innerlich. Sie benutzte wieder die professionelle Stimme einer Wissenschaftlerin. Du hattest Angst, ich könnte mich abgekehrt haben. Vorhin im Wald hast du geglaubt, ich wäre vielleicht ein Vampir. Gerade eben hast du gedacht, die Mitglieder unseres Volkes könnten Vampire sein. Wir
Weitere Kostenlose Bücher