Karrieresprung
Prominenz aus Politik und Wirtschaft. Manche Gäste kannte Knobel aus der Zeitung.
Lisa war mit einigen persönlich bekannt und tauschte Höflichkeiten aus. Man fragte nach dem Befinden ihres Vaters, und sie parierte mit Anekdoten und Aperçus. Knobel stand still neben ihr an einem der Stehtische und nippte an seinem Glas.
Rosenboom hatte einige ältere Herren um sich geschart, deren amüsiertes Gespräch immer wieder in schallendes Gelächter mündete.
Knobel wollte seinen Mandanten dort nicht begrüßen.
Sie mochten eine gute halbe Stunde dort gestanden haben, als Rosenboom auf sie zukam, während die Eheleute Hübenthal zeitgleich aus der anderen Richtung dazu stießen. Der Gastgeber trug einen eleganten weißen Anzug.
Knobel gratulierte nervös, wünschte geschäftlich und privat alles Gute, vor allem Gesundheit, Glück und Zufriedenheit, und dankte für die Einladung. Seine Worte waren geübt, doch kaum ausgesprochen, erschienen sie ihm bereits unpassend. Er wusste nur wenig über Rosenboom. Sein Wunsch für das Private kam aus dem Nichts und ging ins Nichts. Seine Kenntnisse über die Geschäfte des Jubilars reichten nicht über das hinaus, was man im Büro gemeinhin über Rosenboom wusste und das Fundament eines über jeden Zweifel erhabenen Respekts vor einer Karriere bildete, die sich aus bescheidenen Anfängen heraus entwickelt hatte. Eine Scheidung vor einigen Jahren, anschließende Neuheirat, wertungsfreier Neubeginn im Privaten ohne Allüren, begleitet von einer nicht enden wollenden glanzvollen unternehmerischen Entwicklung. In dieses im Detail gänzlich unbekannte Leben hatte Knobel also seine allerbesten Wünsche für das Geschäftliche und das Private abgesetzt. Er errötete bei dem Gedanken, vielleicht zu privat geworden zu sein, aber Tassilo Rosenboom verneigte sich leicht und gab die Wünsche zurück. Sein Händedruck war fest und herzlich.
»Einen prächtigen Jungen hast DU da«, lobte er Dr. Hübenthal, »einen richtigen Pfiffikus.«
Der Senior lächelte.
»Lass ihn auf der Erde, Tassilo.«
Rosenboom zwinkerte ihm zu.
»Der große Julius Hübenthal ist immer so übervorsichtig. Aber irgendwann treibt der Hunger einen doch nach vorn. Und ich denke, mein lieber Knobel, Sie haben die ersten Schritte gemacht. Ich war ja sozusagen Ihr Pate.«
Als Knobel nach Worten suchte und abermals danken wollte, stieß Lisa ihn sanft mahnend unter dem Tisch an. Doch er ließ sich nicht beirren und dankte umständlich für das entgegengebrachte Vertrauen. Es klang wie die Bilanz einer langjährigen Geschäftsbeziehung.
Als sie heimgekehrt waren, blickte Knobel auf einen gelungenen Abend zurück. Er fand, dass Tassilo Rosenboom ein eher bescheidener Mensch und ein besonders aufmerksamer Gastgeber sei. »Er hat Klasse«, fasste er bewundernd zusammen.
Seine Gattin erwiderte dies und das.
Es war wie vor ein paar Wochen, als Löffke seinem Sieg vor Gericht das anerkennende Lob versagte.
Im Bett beugte er sich über sie, streichelte ihr Gesicht und erinnerte sie flüsternd an den Feldweg im Rapsfeld, eroberte ihren Körper mit leisen Worten und schloss in der Erinnerung die Augen, während seine Hand ihren warmen Körper zart massierte. Die Erinnerung erregte ihn, er malte die Vergangenheit in den schillerndsten Farben aus und küsste und liebkoste sie mit Worten. Doch sie erlöste ihn nicht.
8
Rosenboom sandte nun alle Post, die seine privaten Rechtsstreitigkeiten betraf, an Herrn RA Knobel persönlich c/o Kanzlei Dr. Hübenthal & Partner . Und so arbeitete er sich in die Mietprozesse ein, die aus Rosenbooms zahlreichen Immobilien erwuchsen, führte Bauprozesse, klagte auf Schadensersatz wegen einer fehlerhaften Klempnerarbeit, in deren Folge das Kellergeschoss in Rosenbooms Privathaus unter Wasser gesetzt wurde, und kümmerte sich um die Rosenboom turnusmäßig zugehenden Bußgeldbescheide wegen überhöhter Geschwindigkeit. Einige der Firmensachen bearbeitete er weiterhin mit Dr. Hübenthal gemeinsam, während die zahlreichen Beratungsmandate für die Firma Rosenboom dem Senior vorbehalten blieben. Knobel bekam diese meist dünnen Akten, die sich nach Dr. Hübenthals Worten in gutachterlichen Stellungnahmen zu drängenden rechtlichen Fragen erschöpften, nie zu Gesicht.
Die Adressierung Herrn RA Knobel persönlich c/o Kanzlei Dr. Hübenthal & Partner hob ihn heraus und schützte ihn.
Löffke ließ von seiner lieb gewordenen Gewohnheit ab, ihn mit nahezu jedem Fall zu behelligen, dessen Lösung
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