Karrieresprung
Flussbrücke ab und lenkte den Wagen unmittelbar dahinter auf einen dem Wasserrinnsal folgenden Feldweg, bis der Weg seine Konturen in einer Wiese verlor, die in hohen Schilfbewuchs mündete.
Rosenboom sprang aus dem Auto.
Knobel folgte ihm über einen Holzsteg durch das Schilf zu einer ausgebleichten grobschlächtig gezimmerten Anglerbank. Das splitternde Holz hatte sich im Laufe des heißen Tages erhitzt, Mücken tanzten über der stillen Wasserfläche. Eine Libelle schnellte in ruckartigem Flug an ihnen vorbei. Knobel setzte sich neben seinen Mandanten und schwieg unsicher.
»Lieben Sie die Natur?«
»Ja, natürlich«, versicherte Knobel.
Rosenboom lächelte geduldig.
»Natürlich lieben Sie die Natur, weil jeder die Natur liebt. Aber ich meine, ob Sie richtig in der Natur aufgehen können, förmlich nach ihr verlangen.«
Knobel zuckte unschlüssig mit den Schultern. Ihm fiel ein, dass er damals, als er Lisa fragte, ob sie ihn liebe, hatte herausfinden wollen, ob sie ihn für ihr Leben gebrauche und nach ihm verlange. Sie hatte nie gesagt, dass sie ihn verlange. Seither mochte er dieses Wort nicht und wollte selbst auch nicht verlangen.
»Sie wollen sich nicht festlegen, weil Sie nicht wissen, worauf ich hinaus will«, vermutete Rosenboom.
»Worauf wollen Sie hinaus?«, fragte Knobel folgsam.
Doch Rosenboom ließ ihn scheitern.
»Ob Sie die Natur aus tiefstem Herzen lieben oder ob Sie diesem kleinen sterbenden See nichts abgewinnen: Mein lieber Knobel, das soll mir einerlei sein.«
»Sicher«, entschuldigte sich Knobel.
Er wünschte sich in das Auto zurück, in den pfeifenden Fahrtwind hinein, gegen den man nicht anreden konnte.
»Ich brauche noch mal Ihre Hilfe in so einer Geschichte«, erlöste ihn Rosenboom.
»Gern.«
Knobel kehrte dankbar auf vertrautes Terrain zurück.
»Sie wissen, dass ich nach und nach meine Mietshäuser verkaufe. Die alten Dinger lohnen sich nicht mehr.«
Knobel wartete aufmerksam und schnippte Mücken von seinen Unterarmen.
»Beim Haus Brunnenstraße 8 gibt’s Probleme. Unten ist eine Wirtschaft drin, und im Keller darunter sind die Wände nass.«
Rosenboom sah ihn prüfend von der Seite an.
»Es wäre normal, wenn Sie sich darüber wundern würden, dass es schon wieder um ein feuchtes Haus geht. Es wäre auch normal, wenn Sie angesichts der Wiederholung der Ereignisse denken würden, dass dies kein Zufall sein kann und ich mit Methode feuchte Häuser an den Mann bringen will. Normal wäre also, dass Sie in mir einen Betrüger vermuten. Wie denken Sie darüber?«
»Es wird Zufall sein«, folgerte Knobel.
»Der vermeintliche Zusammenhang ist Zufall«, beharrte Rosenboom. »Ich habe die Häuser nach und nach vor ein paar Jahren günstig erwerben können. Aber der Kauf war ein Fehler. Sie sind zu marode. Sie müssen grundsaniert und insbesondere isoliert werden. In absehbarer Zeit werden sie also mehr kosten, als sie abwerfen können. Darum stoße ich sie ab, Stück für Stück.«
Rosenboom schien zufrieden, dass die Häuser zumindest bisher erklecklichen Profit abgeworfen hatten.
»Der Käufer, ein Herr Weinstein, fordert saftigen Schadensersatz, aber er hat das Haus unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung gekauft.«
»Wo ist das Problem?«
»Herr Weinstein sagt, ich hätte von der Feuchtigkeit gewusst und sie ihm beim Kauf verschwiegen.«
Rosenboom beobachtete eine Regung in Knobels Gesicht.
»Mit Verjährung ist hier nichts zu machen«, nahm Rosenboom vorweg. »Die Sache ist noch nicht lange genug her. Und dieser Herr Weinstein ist von anderem Kaliber als der junge Mann, mit dem wir zuletzt zu tun hatten. – Ich verspreche Ihnen, dass wir mit Franz Weinstein noch viel zu tun haben werden.«
Knobel rekapitulierte sein Wissen.
»Im Falle des arglistigen Verschweigens des Mangels kann der Käufer von dem Vertrag zurücktreten oder Schadensersatz fordern.«
Rosenboom schüttelte den Kopf.
»Sie müssen die entscheidende Frage stellen, ob ich von der Feuchtigkeit tatsächlich gewusst habe oder nicht.«
»Der Weinstein wird sich doch vorher das Haus angesehen haben«, vermutete Knobel.
»Gewiss hat er. Nur nicht den Keller unter der Wirtschaft. Wie es der Zufall wollte, stand der nämlich voll mit Stühlen und Tischen aus dem alten Gesellschaftsraum der Gastwirtschaft.«
Rosenboom hatte das Wort Zufall betont und sah Knobel erwartungsvoll an.
»Wie ist Ihr juristischer Ansatz?«
»Der Käufer müsste darlegen und beweisen, wenn der Verkäufer den
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