Katakomben (Van den Berg) (German Edition)
eingebrannt. Diesmal war es die 1, ebenfalls inmitten eines Kreises.
Van den Berg verbrachte die nächsten Minuten vor sich hin fluchend auf der Bank vor dem Gotteshaus. Er blickte gen Himmel in den hartnäckigen Nieselregen. „Was ist los?“, rief Deflandre, der mit Nicole am Tatort eintraf. „Wieder ein junges Mädchen“, schrie der Kommissar mit beleidigtem Unterton, denn er empfand das Verbrechen wie eine persönliche Demütigung. „Ich bin mir jetzt sicher, dass wir es mit einem Psychopathen zu tun haben“, meinte Deflandre und schaute zu Nicole, als wollte er eine Zustimmung für seine Feststellung haben.
Die Psychologin, die mit ihren weichen Gesichtszügen und dem schicken Outfit nicht so recht in den Polizeidienst zu passen schien, dachte nach. Sie ließ sich Zeit mit ihrer Antwort. „Ich habe leider recht behalten. Er ist auf junge Mädchen abonniert, was bei Sexualverbrechern nicht gerade außergewöhnlich ist. Es hätte mich überrascht, wenn er seinen Opfertypus geändert hätte.“ „Wir haben wieder dieses beschissene Brandmal“, fluchte van den Berg. Die Psychologin schaute sich das Zeichen genau an. „Eine 1“, sinnierte Nicole. „Die 1 – das Sinnbild für den Anfang und das Zeichen für Gott.“ Dann schwieg sie. „Das passt zu allem anderen, zu der Kirche und zu den Allmachtsphantasien, von denen du gesprochen hast“, meinte van den Berg. „Ja, aber ich bin mir nicht mehr sicher – aber frage mich nicht warum.“ „Wir überlassen das Feld den Kollegen. Wir brauchen Spuren“, sagte van den Berg, während er beschwörend die Hände nach oben reckte.
Sie entschieden, den Besuch am Gare du Nord erst einmal aufzuschieben, sie wollten später hinfahren. Erst mussten sie die Sonderkommission zusammentrommeln. Wenn sie dem Mörder nicht bald auf die Spur kamen, würden sie von den Schmierfinken zerrissen werden. Van den Berg dachte an die Boulevardpresse, an die lästigen Reporter, die jetzt erst recht penetrante und zynische Fragen stellen würden.
Zwei Opfer, beide vergiftet vor einer Kirche, dachte van den Berg. Ein hübscheres Thema konnte es für die billigen Blätter nicht geben. Im Besprechungsraum des Kommissariats waren alle Kollegen versammelt, als van den Berg ins Zimmer gehetzt kam. „Das Foto der Toten muss sofort an alle Medien raus. Fernsehen, Zeitungen, Internet!“
De Coster trat in den Raum, als sich die Zusammenkunft gerade aufgelöst hatte. „Ich bin sicher, dass wir es mit einem Profi zu tun haben. Spuren haben wir kaum gefunden, genau wie an der St. Michel. Das Opfer ist sehr wahrscheinlich wieder vergiftet worden, wir haben die gleichen Einstiche gefunden.“ Van den Berg dachte nach. „Sonst habt ihr nichts?“ „Doch“, sagte De Coster, der es manchmal gerne spannend machte. „Ich habe mir natürlich gleich das Brandzeichen angesehen.“ „Erzähl schon!“ „Es ist blasser als das, was ich mir schon anschauen durfte, ein Hinweis darauf, dass es älter ist. Die Unterschiede sind allerdings marginal, mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen.“ „Vielleicht lasse ich mir auch so was machen, sieht abgefahren aus“, scherzte Deflandre, der glaubte, er müsse die gereizte Stimmung ein wenig auflockern. Nicole lächelte gequält, die Psychologin hatte nicht viel übrig für die Scherze des Polizisten, den sie ziemlich albern fand.
„Vielleicht kommen wir auf die Bedeutung der Zahlen, wenn wir sie kombinieren, vielleicht stehen sie für die Buchstaben des Alphabets, für A und H.“ „Ich denke, es dürfte Tausende Möglichkeiten geben. Das ist eine große Scheiße!“, echauffierte sich van den Berg. „Das ist doch mal eine schöne Aufgabe für die lieben Kollegen, sie sollen alle Kriminalfälle auflisten, in denen Zahlen und Kreise eine Rolle spielen.“ Van den Berg machte eine wegwerfende Handbewegung. Nicole dachte nach. „Ich weiß nicht, ob es Sinn macht, die Bedeutung des Kreises zu ergründen. Die Zahl ergibt aber ganz bestimmt einen Sinn“, legte sich Nicole fest. „Vielleicht ist es eine Jahreszahl 18 …“, schlussfolgerte van den Berg. „Aber was ist dann mit den beiden fehlenden Nummern?“ Sie waren sich einig, dass sie das Zahlenrätsel nicht lösen konnten – noch nicht.
Die Telefone im Kommissariat liefen heiß. Hunderte von Hinweisen gingen zum Foto der Toten ein. Die meisten waren wertlos, aber es kamen genügend Anrufe, die jeden Zweifel über die Identität der Toten beseitigten. Die Gesuchte war Dorothee Lerisse - die
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