Katakomben (Van den Berg) (German Edition)
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Hugo war pünktlich. Sie trafen sich immer auf derselben Bank an dem kleinen See gegenüber dem Café Belga. Der andere nannte sich Jorge - sie sprachen spanisch. Der Mann war von imposanter Statur und überaus muskulös, was selbst sein weit geschnittener beiger Pullover nicht versteckte. Das dunkle lockige Haar hatte der Riese mit Gel nach hinten gekämmt. Der Spanier schaute düster drein, seine Augen sahen unheimlich aus. Erst als ihm Hugo das Papier mit den Namen reichte, lächelte er.
Eine Frau in einem schmierigen, abgewetzten Kittel öffnete dem Beamten die Tür. Sie wirkte wie fünfzig und war auffallend fett. „Ihr seid Bullen, nicht wahr? Ihr hättet ruhig mal anrufen können, anstatt einfach so aufzukreuzen“, zischte die Alte resolut. Van den Berg war kurz davor, zu einem verbalen Konter anzusetzen, hielt es aber für besser, die Atmosphäre nicht gleich aufzuheizen. „Madame Bouvier, richtig? Dürfen wir reinkommen?“ fragte er mit aufgesetzter Höflichkeit. Die Frau führte die Polizisten wortlos ins Wohnzimmer. Dem Kommissar fiel auf, dass die braunen lockigen Haare der Frau ziemlich fettig waren und unangenehm rochen. Auf dem rustikalen Eichentisch stand eine beige Plastikkanne, die einige Risse hatte, mit Kaffee. Die Frau stellte ein paar Kunststoffbecher in der gleichen Farbe dazu. „Bedient euch!“ Der Kommissar verzichtete und bedachte das Angebot mit einem angedeuteten Nicken. „Wir haben ein totes Mädchen gefunden.“ Die Frau setzte sich auf einen der speckigen Sessel, während sie die Polizisten irritiert anschaute. „Ist das Ihre Tochter?“ Das Foto zeigte das tote Mädchen vor der Kathedrale. Die Frau starrte auf das Bild, ihre Lippen begannen zu zittern. Erst nach einigen Sekunden nickte sie zaghaft. „Das ist sie!“, stammelte die Frau kaum hörbar. „Es tut mir sehr leid“, meinte van den Berg. Ihm wurde jedes Mal schlecht, wenn er diese Floskel benutzte. Die Polizisten gingen zum Fenster – die Frau sollte einen Moment für sich allein haben. Van den Berg war klar, dass das Überbringen von Todesnachrichten nicht zu seinen Stärken zählte. Er musste sich zusammenreißen, um bei der Befragung nicht allzu schroff rüber zu kommen.
„Ist ihr Mann zu Hause?“, fragte er ruhig. „Er ist was einkaufen. Er kommt sicher bald.“ Während die Metzgerin antwortete, wich sie van den Bergs Blick aus – ihre Augen waren auf ein Hirschgeweih gerichtet, das ihr gegenüber von der Wand herabhing. „Ihre Tochter ist seit fünf Jahren verschwunden gewesen. Wir müssen das leider noch einmal in allen Einzelheiten durchkauen“. „Was bringt das jetzt noch? Das habe ich doch schon tausend Mal erzählt“, murmelte die Frau, so als sprach sie mit sich selbst.
„Wir suchen den Mörder ihrer Tochter. Möchten sie, dass der Typ da draußen noch mehr Mädchen umbringt?“, entfuhr es van den Berg. Im gleichen Moment tat ihm sein gereizter Tonfall schon leid. „Ich habe ihr am Abend noch ein Stück Blutwurst rauf gebracht. Es muss kurz nach sieben gewesen sein. Wir hatten gerade den Laden zugemacht.“ Van den Berg wunderte sich über die präzisen Angaben der Frau zu Alltäglichkeiten, die so lange zurücklagen. „Und weiter?“ „Was soll ich ihnen erzählen? Wir haben nicht viel miteinander gesprochen.“
„Ist sie öfters nachts weggeblieben?“ „Fragen sie besser, wann die mal zu Hause war. Morgens ist sie immer zurück gewesen und hat gearbeitet“, erklärte die Frau mit tonloser Stimme.
„Catherine wäre jetzt 20, richtig?“ „Ja. Sie hat schon immer gemacht, was sie wollte. Ist mir auch egal gewesen. Solange sie nur im Laden mit angepackt hat.“ „Wohin ist sie gegangen, nachts?“ „Woher soll ich das wissen? Meinen sie, darüber hat sie gesprochen?“ In diesem Moment glaubte van den Berg eine Reaktion bemerkt zu haben, ein ganz leichtes Zucken der Mundwinkel, eine kaum merkliche Unsicherheit.
„Haben sie ein Foto von ihr?“ Die Frau nahm einen vergoldeten Bilderrahmen aus der Vitrine. „Wir haben es vor fünf Jahren aufgenommen, kurz bevor sie verschwunden ist. Das Geschäft ist damals 100 Jahre alt geworden“, sagte die Frau, die endlich anfing zu weinen. Einige Minuten hatte sie es geschafft, ihre Gefühle in Schach zu halten – jetzt schienen alle Dämme zu brechen.
„Macht es ihnen etwas aus, uns Catherines Zimmer zu zeigen?“ Die Frau reagierte erst nach einer gefühlten Ewigkeit, dann blickten ihre verheulten
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