Katakomben (van den Berg)
war augenscheinlich. Van den Berg versprach den Kollegen, sie jetzt
über alle Details der Fälle zu informieren, wohl wissend, dass er das das
tatsächlich kaum tun würde.
Hugo saß tiefenentspannt in der Lounge
und schaute gedankenverloren auf ein Stück Papier. Alles war bislang glattgegangen,
nichts anderes hatte er erwartet. In wenigen Minuten würde er im Flieger nach
Brüssel sitzen. Der Sound des Fernsehgerätes, das unter der Decke montiert war,
wurde lauter. Als Hugo auf die Mattscheibe schaute, zuckte er zusammen. Auf dem
Monitor war ein leicht verzerrtes Schwarz-Weiß-Bild eingeblendet. Aber es war
scharf genug, dass er das Standbild identifizieren konnte. Scheiße, sie haben
ihn gefilmt. Das Foto offenbarte nicht, wo es aufgenommen wurde, aber von der
Qualität der Aufnahme schloss er, dass es aus einer Überwachungskamera stammte.
Hugo merkte, dass seine Hände nass wurden und Schweißperlen über seine Stirn
liefen. Er hatte keine Angst, aber dass es etwas außer Kontrolle geraten war,
brachte ihn völlig aus dem Gleichgewicht. Es packte ihn ein Gefühl der
Ohnmacht. Die Sache, die er fest im Griff gehabt hatte, war urplötzlich wie ein
Stück Seife aus seinen Händen geglitten. Jetzt kannten sie Jorges Gesicht. Er
dachte daran, was passieren würde, wenn sie ihn fanden. An Jorges Loyalität
hatte Hugo keinen Zweifel. Sie würden ihn bis aufs Blut foltern müssen, um
etwas aus ihm herauszukriegen. Aber ein Rest Unsicherheit blieb. Er musste auf
jeden Fall verhindern, dass die Bullen noch einen Schritt weiterkamen. Er
musste Jorge warnen. Aber wie? Von seinem Handy aus? Nein, das war zu riskant.
Hugos Blick fiel auf ein öffentliches Internetterminal. Im gleichen Moment kam
der Aufruf, dass die Maschine nach Brüssel zum Einsteigen bereit war. Er
hastete zu dem Computer, der bereits mit dem Internet verbunden war. Für
Ausnahmesituationen hatte er einen speziellen Account eingerichtet, den er
bislang nie genutzt hatte. Er sendete nur ein einziges Zeichen „L“.
Van den Berg und Deflandre waren in
heller Aufregung. Gerade hatten sie erfahren, dass Fahndungsfotos des mutmaßlichen
Dreifachmörders über die Fernsehapparate flimmerten und sie waren nicht mit
einer Silbe darüber informiert worden. „Glauben die, dass sie jetzt ohne uns
arbeiten können?“ Nicole, die zu van den Berg ins Büro kam, hatte alle Mühe,
den Kommissar zu beruhigen. Van den Berg war dafür, Jorges Foto zu verbreiten,
nur wollte er das selber übernehmen. Er fand heraus, dass ausgerechnet De Wilde
der Pressestelle des Kommissariats den Auftrag dazu erteilt hatte. „Dieser
Drecksack“, fluchte van den Berg mit einer Lautstärke, dass man ihn auf der
ganzen Etage hören konnte. „Ich schmeiße dich aus der Einsatztruppe“, brüllte
van den Berg, als er zu De Wilde ins Büro platzte. „Das kannst du nicht“,
erwiderte der trocken. Van den Berg merkte, dass De Wilde seinem Blick auswich.
„Bei der nächsten linken Tour bis du fällig.“ Der Kommissar knallte die Tür so
heftig zu, dass sie beinahe aus den morschen Angeln gesprungen wäre. Van den
Berg wusste, dass er De Wilde nicht ohne Weiteres von den Ermittlungen abziehen
konnte. Dafür musste er schon größeren Bockmist bauen.
Jorge spürte einen Stich in der
Magengrube, als er die Mitteilung las. „L“ stand auf dem Display seines Smartphones , er kannte die Bedeutung. Jorge Ramos konnte
nicht fassen, wie man ihm auf die Schliche gekommen war. Hatte er einen Fehler
gemacht? Er spielte verschiedene Möglichkeiten durch und kam dahinter, dass sie
das Foto von dem Krankenhausparkplatz hatten. Vor ein paar Minuten war Jorge
noch selbstsicher die Rue Neuve entlang gelaufen, jetzt beeilte er sich, von
der geschäftigen Einkaufsmeile runterzukommen, er fühlte sich beobachtet. Tatsächlich
musterten ihn Leute im Vorübergehen, was weniger an den Fahndungsfotos, als an
seiner auffälligen Erscheinung lag. Jorge bog am De Brouckére in eine der
Seitenstraßen ab. Das Viertel war noch immer ziemlich kaputt, obwohl die
Kommune begonnen hatte, Sanierungsmaßnahmen einzuleiten. Jorge nahm auf einer
Bank Platz, die von mächtigen Buchen flankiert war. Hier konnte er ein paar
Minuten Ruhe finden. Er dachte nicht daran, sich umzubringen. Er würde nichts
erzählen, wenn sie ihn schnappten, aber sich selbst zu richten, dazu war er
nicht bereit, auch wenn er es Hugo versprochen hatte. Es gab nicht den
geringsten Grund abzutreten, die Bullen würden ihn niemals kriegen.
Im
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