Katakomben (van den Berg)
mit der Geisel in den BMW. Er gab Vollgas und
brauste in Richtung Antwerpen. Es war nur mäßiger Verkehr auf der A1. Jorge
wechselte häufig die Fahrspuren, um sich den schnellsten Weg zu bahnen. Wenn es
nötig war, nutzte er auch den Standstreifen. Die Flucht lief wie geschmiert,
geschmeidig glitt der Wagen durch den Verkehr. Dem dunklen Mercedes, der vor
ihm war, schenkte er keine Beachtung. Bis der plötzlich rapide das Tempo
drosselte. „Gib doch Gas, du Hurensohn.“ Jorge wollte auf der rechten Spur
vorbei, aber in dem Moment, als die Wagen nebeneinander waren, zog der andere mit
einem Ruck rüber und knallte mit voller Wucht in die Fahrerseite. „Scheiße!“,
fluchte Jorge. Er trat auf die Bremse und versuchte verzweifelt gegenzulenken.
Aber es half nichts. Der Knall war heftig, der BMW überschlug sich mehrere Male
und prallte mit voller Wucht gegen einen kräftigen Baumstamm.
Wenige Minuten später waren die ersten
Polizisten an der Unfallstelle – der eine war jener Mann, der Jorge das
Fluchtfahrzeug gebracht hatte. Er schaute in den verbeulten Wagen und versuchte,
mit aller Kraft, die Türen aufzureißen, aber sie ließen sich nicht öffnen. Der
Killer und die Geisel hingen regungslos in den Gurten. Jeden Moment konnte der
BMW anfangen zu brennen. „Oh mein Gott“, raunte der Polizist, als er die Frau
sah, die blutüberströmt auf dem Beifahrersitz saß. Der Airbag hatte sich nicht
geöffnet, dafür aber der Gurt. Er stellte fest, dass sie keinen Puls mehr
hatte, die Frau war tot. Der Polizist kroch durch das zerstörte Fenster in den
Wagen. Mit gezogener Waffe musterte er Jorge, der Killer regte sich nicht. Aber
er atmete langsam, offenbar war er nur bewusstlos. Der Polizist nahm Jorge die
Waffe ab. Dann zog er die beiden Körper auf die Wiese. Jorge kam langsam zu
sich, er bekam Kabelbinder verpasst. Im gleichen Moment explodierte der Tank
des Blechhaufens, der BMW stand nun in hellen Flammen.
Hugo war wieder zu Hause. Er ließ sich
auf dem Ledersofa nieder und dachte nach. Es gehörte zu seinen Qualitäten,
immer gut informiert zu sein, über die jüngsten Ereignisse war er bereits im
Bilde. Das Schlimmste, was passieren konnte, war eingetreten: Jorge war in den
Händen des Feindes.
Die Touristen standen noch immer auf
dem Busparkplatz, die meisten von ihnen unter Schock. Van den Berg kümmerte
sich persönlich um die Leute. Er redete mit dem Mann, der ihnen den
entscheidenden Tipp gegeben hatte. Alfons Hain hatte mit seiner Frau ganz
hinten gesessen und in einem unbeobachteten Augenblick die Polizei verständigt.
„Vielen Dank, sie haben uns sehr geholfen“, sagte van den Berg, während er Hain
die Hand schüttelte .
„Woran haben sie ihn erkannt?“ „An seiner ausgeprägten Nase. Die ist mir auf
dem Foto gleich aufgefallen“, erzählte Hain grinsend. Wenige Augenblicke später
war der Kommissar an der Stelle, wo sich der BMW überschlagen hatte. Die
Autobahn war abgesperrt. Zwei Ärzte waren dabei, den Killer zu versorgen. Van
den Berg fühlte eine immense Wut, als er die tote junge Geisel betrachtete.
„Scheiße, es ist schief gegangen“, fluchte er . Es war schwierig,
den Medien zu verheimlichen, dass es kein normaler Unfall war. Van den Berg
hatte den Crash eingefädelt, wohl wissend, dass es riskant war. Er konnte nicht
zulassen, dass Jorge entkam. Wäre er erst mal außer Reichweite gewesen, hätten
sie vielleicht für immer seine Spur verloren. Gottseidank hatte er Vermeulen
und die Sonderkommission von seinem Plan unterrichtet und die hatten die Aktion
abgesegnet. Van den Berg schaute sich um und beobachtete, dass
Jorge noch immer behandelt wurde. Er registrierte, dass der Killer sein
Aussehen verändert hatte und sah mit Genugtuung, dass er nicht in Lebensgefahr
war. Er verspürte eine diebische Vorfreude auf die Verhöre, die Jorge sehr bald
bevorstanden.
Van
den Berg setzte sich ins Auto, er musste nachdenken. Der Kommissar fuhr durch
die Straßen von Saint-Josse, einem ehemals bürgerlichen Viertel, das in den
letzten Jahren immer mehr verslumt war. Es widerte ihn an, wie sich Brüssel
seit Jahren veränderte. Die EU hatte nur Nachteile für die Stadt gebracht, die
Spekulanten gaben den Ton an. Er kannte viele Mieter, die aus ihren Wohnungen
geworfen wurden, um Platz zu machen für die schicken, gläsernen Bürokolosse,
die überall aus dem Boden gestampft wurden. Er fuhr die Rue Belliard entlang
zum Place Luxembourg, der vor Kurzem noch mit prachtvollen Fassaden
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