Katerstimmung (German Edition)
anschmiegsam-tuntiges Kuschel-Gen nach. Bei Klaus Thomann wurde in der Waschmaschine der Gleichgeschlechtlichkeit wohl das Perwoll vergessen. Klaus ist der Kratzpulli neben den schwulen Kuschelsocken.
«Joa, ich … es gab da noch so Probleme mit meiner Abrechnung, da musste ich gerade noch mal schnell in die Personalabteilung wegen der Lohnst…»
«Komm nach der Konferenz bitte in mein Büro», kratzt Klaus.
«Ja gut, ich muss gleich eigentlich noch diese Sache mit der Klokunst in Tennessee …»
Er starrt mich an.
«… aber das läuft, ich komm dann.»
Ich hasse meinen Job. Da war man immer ein aufgewecktes Kind, hangelte sich irgendwie durch die Schule, und dann steht man da mit der präzisesten Berufsvorstellung nach «reich werden» und «mit Menschen arbeiten»: «irgendwas mit Medien». Da «irgendwas mit Medien» in vielen Fällen auch irgendwas mit der Welt zu tun hat, studierte ich Politik auf Magister. An meine beiden Nebenfächer erinnere ich mich mangels Teilnahme nicht mehr, ich glaube, es war irgendwas mit Medien. Das Magisterstudium zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass man kaum Pflichtveranstaltungen hat, nichts lernt und auf keinen Beruf vorbereitet wird. Es ist das Waldorfkonzept unter den Studienabschlüssen. Mit ganz viel Eigeninitiative kann man was draus machen, aber im Knast ist der Boxraum auch besser besucht als die Bibliothek. Mein Boxraum waren Werbeagenturen, Redaktionen und das Kölner Nachtleben. Als ich eines Tages nicht mehr wusste, wo in der Uni der Hörsaal ist, fragte ich mich stattdessen zum Studentensekretariat durch und hängte meine akademische Karriere an den Nagel, bevor sie begonnen hatte.
Es folgte eine mehrmonatige Phase, die in meinem Gedächtnis als blaue, nach Jack Daniels riechende Dunstwolke abgespeichert ist. Eines Abends schwor ich meinen Freunden nach drei Whiskey Cola, die nächste Ausbildung, die ich fände, anzunehmen. Vielleicht hätten sie sich das hämische «Die findest du aber vermutlich weder im Deep Night noch in der Tiger Lounge» sparen sollen. Sonst hätte ich vielleicht anders reagiert, als ich, wiederum drei Whiskey Cola später, im Deep Night Sandy kennenlernte, stolze Mitarbeiterin der Zuschauerredaktion – «Wir überlegen uns da zum Beispiel jeden Tag die Gewinnspielfragen für die Promi-Magazine!» –, und sie mir von einer freien Volontärstelle bei den News erzählte.
«Ich soll zwei Jahre meiner wertvollen Lebenszeit für Paris Hilton, neugeborene Pandas und verzogene Teenager verschenken?», hätte ich sagen sollen. Stattdessen lallte ich so etwas wie: «Yiihaaaaa, ich machet Otze!», und schickte eine SMS mit ähnlichem Inhalt an alle meine ungläubigen Freunde. Kann man nämlich doch. Beim Feiern eine Stelle klarmachen. Ätsch.
Einen Tag später und ohne sechs Whiskey Cola sah ich die ganze Sache zwar schon wieder wesentlich nüchterner, hatte aber weder Lust auf einen Rückzieher noch einen alternativen Plan in Aussicht. Ich bewarb mich, und weil ich beim Auswahltest als Einziger wusste, wer Michail Gorbatschow ist und wie man ihn schreibt, wurde ich genommen. Im Nachhinein fühlte ich mich ein bisschen, als hätte ich den Job als Platzwart bei Eintracht Groß Grönau II bekommen, weil ich wusste, wer Franck Ribéry ist.
Die News -Konferenz ist wie immer unterhaltsamer als alle Comedy-Formate der Sendergruppe zusammen und gleichzeitig so schockierend wie eine Dokumentation über Mädchencliquen in Hamburg-Wilhelmsburg. Die bebrillte Mittdreißigerin Sabine, die es wegen ihres Aussehens und trotz ihres Namens nicht in die Promimagazin-Mädchenclique geschafft hat, ist mit Kritik dran. Ihre Stimme klingt immer, als wollte sie eine Jutejutta imitieren, die gerade im Basic Biosupermarkt den Kassierer fragt, ob die Kumquats denn auch aus heimischem Anbau stammen. Knallhart nimmt sie die Sendung des Vortags auseinander und vergleicht sie messerscharf mit der Konkurrenz.
«Also die Tagesschau hat mit dem EU-Gipfel aufgemacht, aber da waren wir mit dem erstickten Elefantenbaby mit Sicherheit von den Bildern her stärker. Den Schulbusunfall hatten heute und aktuell auch drin, aber das war bei uns durch die weinenden Mütter lebhafter, und hinten raus hatten alle irgendwas mit einem gefundenen Picasso in Berlin, da fand ich die Counterstrike: Blood Revenge -Vorschau von der gamescom wesentlich zielgruppiger.»
In meinem Kopf trampelt ein Babyelefant mit Brille auf Ralf Richters PS-Kanone. Der schreit. Seine Mutter weint.
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