Katerstimmung (German Edition)
auf pinkfrog kommen kann. Wenn Marty nicht auch im Creative-Naming-Seminar geschlafen hat, dann definitiv in der Vorlesung Markenrecht. Zwei Monate nach Agenturstart hatte sie nämlich eine Klage einer österreichischen Event-Marketing-Agentur gleichen Namens an der Backe und durfte ihren ganzen Laden zum ersten Mal umbenennen. So wurde der Riesenfrosch in der Eingangslounge blau überpinselt und bluefrog geboren. Doch spätestens nachdem der freundliche Brief der Firma Bluesecurity mit dem Hinweis auf den von ihnen entwickelten und lizenzierten Spamfilter Blue-Frog in den Briefkasten flatterte, hätte Marty alles dafür getan, wenn sie sich damals doch nur für «Herzberger und Partner» entschieden hätte. Ihren Humor verlor sie endgültig, als zwei Wochen nach dem aufwendigen «Der Frosch wird deutsch!»-Relaunch und nachdem die Handwerker bei den Leuchtbuchstaben e durch a ersetzt und u und a vertauscht hatten, ein erneuter Brief der amerikanischen Softwareentwickler ins Haus flatterte. Man würde das Blue-Frog-Prinzip künftig unter der Bezeichnung Okopipi auf P2P-Basis umsetzen und habe daher kein Interesse mehr an der markenrechtlichen Verwertung von Blue-Frog . Gerüchten zufolge lässt sich Martys viertelstündige Reaktion auf diese Zeilen am besten mit dem Firmenslogan «jumping communication» beschreiben. wild and crazy jumping communication.
«Also fangen wir mal mit dem Re-Briefing an. Dieser João Vinicius Guimarães beziehungsweise sein Berater fand alle unsere Vorschläge ‹no enough good›, da müssen wir also bitte noch mal ran.»
Ich habe ja schon einiges erlebt, seit ich mich auf Benennungsmarketing spezialisiert habe, weil man da von zu Hause aus arbeiten kann. Aber dass wir von einem brasilianischen Nachwuchsfußballer auf dem Sprung nach Europa damit beauftragt werden, einen wohlklingenden und in allen europäischen Sprachen akzeptierten Namen zu suchen, toppt alles. Angeblich hat unsere Zaubermaus gehört, dass ein Wechsel seines Landsmanns Maicon von Inter Mailand zu Real Madrid scheiterte, weil maricón auf Spanisch Schwuchtel bedeutet. Und da hat der Gute kalte Füße bekommen.
«Auch nicht Zocinho?», frage ich ungläubig.
«No enough good.»
«Und wieso? Das wäre doch auch wegen Soccer …»
«Glaubst du, dass uns ein Berater, der ‹no enough good› schreibt, irgendetwas auf Englisch erklären kann?»
«Die sollten mal an ihrem Expectation Management arbeiten», ergänzt Yul, wohl um seine Anwesenheit zu rechtfertigen.
«Was?»
«Er meint, die haben hohe Ansprüche.»
«Und warum sagt er das nicht auf Deutsch? Hat er Probleme mit seinem Language Management?»
«Max, bitte! Wir schicken einfach so viele Namen, bis denen einer gefällt. Schlimmer als João Vinicius Guimarães geht es ja ohnehin kaum. Wär also gut, wenn du da bitte noch zehn bis zwanzig machen könntest in den nächsten Tagen.»
«Okay.» Marty hat den Namen unserer brasilianischen Diva auch beim zweiten Mal so holprig ausgesprochen, dass mir der Sinn des Auftrags augenblicklich wieder bewusst wird. Wenn die das nicht mal halbwegs flüssig ablesen kann, wie soll man das dann noch nach fünf Pils im Stadion grölen? Er würde einer jener Spieler werden, den Kommentatoren stets nur mit «Der 10er», «Der neue Ronaldinho» oder «Der Mann, dessen Namen auf Deutsch kleine Maus/Erbse/Wäscheklammer bedeutet» umschreiben. Bis ein ganz findiger, oft Reinhold Beckmann, stolz verkündet: «Heute beim Mittagessen, da hat er mir verraten, es heißt nicht Guimaresch, es heißt nicht Gümaraes, es heißt Gümaresch.» Stimmt meistens nicht, klingt aber nach Hintergrundgespräch bei Tagliatelle unter Freunden.
«Gut, dann kommen wir mal zu Ellringer.» Marty gönnt mir heute wirklich keine Verschnaufpause.
«Da ist der Vorteil auf jeden Fall, dass der Name nur in der relevanten Klasse geschützt werden muss und wir auch keine freien Domains brauchen», schaltet sich Yul ein.
«Aber da brauchen wir auf jeden Fall etwas Ausgefallenes.»
«Kann durchaus auch was Kunstwortiges sein.» Ob Kunstwörter wie «kunstwortig» mit der versprochenen springenden Kommunikation gemeint sind? Da ist mir ja fast zielgruppig lieber.
«Frisch, jung, ich würde sogar sagen trendy», sagt Marty, wobei sie nach jung zögert, zu Glatzen-Yul blickt, und ich würde sogar sagen: unnatürlich streckt. Oh nein, jetzt fangen die beiden wieder an, ihre Ideen ganz spontan und frei zu entwickeln.
«Trendy, aber nicht hip.» Glatzen-Yuls
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