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Katerstimmung (German Edition)

Katerstimmung (German Edition)

Titel: Katerstimmung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Reinartz
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«Klappen Sie die Tische hoch, alles andere bringen wir in aufrechte Position». Zunächst stand ich lachend am Fenster. Man sollte allerdings nie ein Pornocover gegen die Sonne halten, wenn sich vor dem Fenster Fußballhorden einsingen. Es folgen Textzeilen, die nicht einmal Peter Wackel mit einem simplen «scheißegal (besoffen)» abtun könnte.
    Oje. Den muss ich mir ja nächste Woche antun. Das war das zweite Geschenk von Lenny und Wilhelm: Karten für den Partynator in der Oberhausenarena. Ich schätze, es war Wilhelms Idee. Er braucht wahrscheinlich neue Inspiration für seine Vorträge. Seine monatlichen kabarettistischen Gedichtinterpretationen sind im Uni-Café mittlerweile Kult. Er hat schon Fußballreporter Herbert Zimmermanns Redefluss mit Hesses Siddhartha verglichen und sieht in der Hangover- Szene mit dem Tiger im Badezimmer «die xenophobe Haltung der US-amerikanischen Gesellschaft gegenüber zunehmenden Einflüssen fremder, vor allem asiatischer Kulturen. Sogar in den privatesten aller Rückzugsräume, das Badezimmer, dringt die gelbe Gefahr ein: im Film die asiatische Raubkatze, in echt vielleicht der LED-Duschkopf Lightfever aus Hongkong». Einmal war angeblich auch Tanja da, ist aber direkt nach dem Vortrag gegangen. Lenny argumentiert seither wieder mit seiner Mysterious-Girl-Theorie.
    So ganz kann er den alten Lenny eben doch nicht ablegen. Auch wenn er inzwischen sogar auf Alien League verzichtet, weil das «Hober/Seibart» in designerlampenstelendünner Schrift kein Briefträger entziffern konnte. Dem F-Manager 3000 ist er treu geblieben. Zunächst verkündete er, dass «der Vorstand entschieden hat, hingegen der bisherigen Transferpolitik, seinen Wunschspieler langfristig an den Verein zu binden». Bei der ersten Krise sprach er von «schwierigen Vertragsverhandlungen, die Verein und Spieler zwingen, nach Alternativen Ausschau zu halten». Am Ende konnte er aber doch eine vorzeitige Vertragsverlängerung vermelden: «In dieser Situation brauchen wir nicht viele austauschbare Spieler, sondern einen, der langfristig zur Vereinsphilosophie passt.»
    Und das mit dem Dreier hat sich Lenny offenbar auch aus dem Kopf geschlagen. Obwohl ich über den Zustand seiner Beziehung einmal kurz irritiert war, als ich die beiden besuchte und Sandra stolz Tunesien auf Lennys Weltkarte mit rotem Marker kolorierte. Aber dann klärte sie mich auf.
    «Wir waren da doch gerade im Urlaub, und Lenny malt ja immer die Länder an, in denen er schon war. Der ist schon so weit rumgekommen! Sogar Brasilien!»
    «Stimmt, Rioconciliation. Das war so ein Projekt zur Völkerverständigung wegen der langen und unbarmherzigen deutschen Kolonialzeit.»
    «Aber wann war denn Deutschland …?»
    «Oh, schau mal, Lennys Bücher stehen ja gar nicht mehr im Regal, sondern liegen. Wie praktisch!»
    Lange war ich Sandra suspekt. Nicht nur, weil ich oberkörperfrei mit Cuba Libre in Lennys Wohnzimmer R. Kelly gehört hatte. Sondern auch, weil ich die Programmeinstellung mit ihrem Lieblingslied «Langweilige Alte» getauft hatte. Sie war mir allerdings auch lange suspekt, weil I believe I can fly ihr Lieblingslied ist. Aber irgendwann mussten wir uns vertragen. Ich war schließlich fast täglich bei Lenny wegen der Quadrocopter-Geschichte. Unsere kleine Geschäftsidee. Er baut die Minihubschrauber, ich kümmere mich um Vertrieb und Marketing. Wenigstens konnte ich ihm den Namen Lennymax 3000 ausreden.
    In einer romantischen Liebeskomödie auf SAT.1 hätte meine berufliche Zukunft anders ausgesehen. Ich hätte Ana geheiratet, wäre mit ihr nach Spanien ausgewandert und hätte ein kleines gemütliches Strandlokal aufgemacht. Das Leben ist aber oft kein Filmfilm, sondern ein Handyvideo auf Youtube. Wenn ich auf die Verkaufszahlen der Quadrocopter schaue, nicht mal ruckelfrei abspielbar.
    Im Fernseher auf dem Küchenregal läuft Fußball. Ich denke wegen der Stille erst, es gäbe gerade eine Gedenkminute, aber das Spiel läuft schon. Ein Kommentator wirft alle paar Sekunden emotionslos Dinge wie «Bisher ist das hier noch viel Stückwerk», «Beide Mannschaften stehen sehr kompakt» oder «Tor» ein. Einen spanischen Kollegen könnte man wohl alle selbstverschuldeten Gegentore des 1. FC Köln in den letzten zehn Jahren am Stück anschauen lassen und ihn nach diesen sieben Tagen ohne Schlaf als Torwandersatz im Sportstudio von Mario Basler beschießen lassen – selbst dann wäre er noch nicht so zerstört, das Spiel in diesem Tempo zu

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