Katerstimmung (German Edition)
passiert ist: Meine Traumfrau will mich wiedersehen. Außerdem habe ich mich indirekt schon an Lenny und Wilhelm gerächt. Die beiden waren als Drogendealer auf allen Kanälen, und mittlerweile wird sich das halbe Land über ihre Sprachfehler beömmeln. Warum gehe ich nicht einfach zurück ins Hostel, versammle alle Verdächtigen im Café und kläre den Fall mit einem langen Plädoyer auf?
Weil Zorro letztlich doch ein coolerer Hund ist als Hercule Poirot, denke ich und schmiede einen Racheplan. Einen Racheplan 3000. Dann ziehe ich mein revanchelustiges Schwert aus der Tasche und beginne zu tippen.
«Ana, mi amor! Ich kann nicht länger ohne dich sein. Wenn ich dich heute nicht in Valencia finde, hat dieses Leben für mich keinen Sinn mehr. Alles aus Liebe, Max!»
«Alter, wo warst du denn so lange?», empfängt mich Lenny im Hostel.
«Och, ich hab nur noch mal über das Ganze nachgedacht. Ich habe euch wirklich schon zu viel zugemutet. Am besten fahre ich alleine nach Valencia.»
«Auf gar keinen Fall», funkt Wilhelm dazwischen. Die beiden haben das Handy wohl schon aus dem Spind geholt.
«Wieso?»
«Weil … weil, na ja, wenn die jetzt nicht da wäre, dann ginge es dir wahrscheinlich ja sehr schlecht, oder?»
«Aber sie ist ja da.»
«Wenn du das nicht falsch verstanden hast», wendet Lenny ein. Ich schaue ihn gespielt ratlos an.
«Max, ich meine nur, wenn du gute Freunde brauchst, wir sind für dich da.» Danke, Wilhelm, das habe ich gemerkt.
«Na gut, dann kommt halt mit. Ich hoffe, es wird ein schöner letzter Abend», sage ich und betone «letzter» so sehr, dass sich Lenny und Wilhelm erschreckt ansehen. Revenge 3000 started.
Im Radio läuft Smells Like Teen Spirit von Nirvana. Schon die ganze Busfahrt über merke ich, wie angespannt die beiden sind. Ich mache mit Gelassenheit, mit innerer Ruhe, mit begnügter Seele eher einen auf Buddha. Oder Jesus. Beim letzten Abendmahl, als alle völlig verzweifelt waren und er ganz heimlich für sich dachte: Ihr Schwachköpfe, bin doch in drei Tagen wieder da! Aber wer liest das Neue Testament, wenn da nicht auf den ersten Seiten schon ein bisschen Action ist? I’ll be back.
Es wird schon langsam dunkel, als uns der Bus in den warmen valencianischen Abend entlässt. Hätte Hesse Nirvana gehört? Ich erzähle Lenny und Wilhelm, dass ich kurz noch ein paar Läden in der Innenstadt abklappern möchte. In einer Stunde am Hafen. Ich blicke den beiden schwarz umrissenen Gestalten nach, wie sie gegen die untergehende Sonne traben. Dann mache auch ich mich auf. Meiner Erinnerung nach ist das NH Center Hotel ganz in der Nähe.
Es ist schon fast elf, als eine riesige Paellapfanne in unsere Mitte gehievt wird. Sie ist zwar nicht besonders hoch, dafür aber ziemlich breit. So ähnlich wie Kurt Cobain. Bohnen und Hähnchenfleisch schwitzen in dampfendem, safrangelbem Reis. Wir sitzen um einen runden Holztisch im Freien. Direkt am Hafen. Es riecht nach Fisch, aber die Meeresfrüchtepaella durften wir nicht bestellen. Die sei nur für Touristen, habe Tanja erzählt. Lenny will sich schon mal einen Happen stibitzen, doch zuckt zurück, als er mit dem Arm an das heiße schwarze Stahlblech kommt.
«It’s better to burn out than to fade away», murmele ich.
«Was?»
«Fällt mir nur gerade ein. Waren die Abschiedsworte von Kurt Cobain.»
Schon wieder werfen sich Lenny und Wilhelm unruhige Blicke zu. Es gefällt mir, die beiden zu verunsichern. Wie haben die mich mit Fake-Anas Hinhaltetaktik gequält! Da darf ich auch ein bisschen sadistisch sein.
«Max, wenn man einen Luftballon zur Decke steigen lässt und er zerplatzt, dann muss man einen neuen Luftballon aufblasen und zur Decke steigen lassen», sagt Wilhelm mit sorgenvoller Miene.
«Ist das auch Cobain? Oder Graf von Zeppelin?»
«Das hat meine Mutter früher immer … aber Camus sagt eigentlich das Gleiche. Wir müssen uns Sisyphos nur als einen glücklichen Menschen vorstellen!»
Ich habe mir ja schon einiges vorgestellt. Zum Beispiel wie man sich als Spinne in einem Staubsauger fühlt, was Effi Briest und Major Crampas in der Kutsche wirklich gemacht haben oder wie Osama bin Laden seine Oma zum Geburtstag anruft. Aber Sisyphos als glücklicher Mensch war noch nicht dabei. Nicht mal als unglücklicher. Wer ist das überhaupt? Ein griechischer Dichter mit Geschlechtskrankheit? Wilhelm sollte kein Psychologe werden. Wenn ich auf dem Hochhausdach stehe, kann man mich vielleicht noch mit «Messi wird
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