Katharsia (German Edition)
betraten die Kabine. Der Größere von beiden, der sich mit dem Namen Meyer vorstellte, war sportlich in Jeans und Lederjacke gekleidet. Der andere, klein und untersetzt, nannte sich Grieseke. Er wirkte in seinem grauen Anzug ein wenig förmlich. Sie nickten in die Runde und warteten höflich auf das Ende der Ausführungen Vitellis.
„Kooperieren Sie also bitte mit diesen beiden Herren“, beschloss der Moderator seine Rede, „und seien Sie vorsichtig, damit ich Sie heil zu meiner Sendung übermorgen Abend begrüßen kann. Bis dahin entschuldigen Sie mich bitte. Es ist noch einiges zu tun.“
Damit verschwand er durch die Tür und überließ die Gefährten der Obhut der beiden Sicherheitsleute.
„Wenn ich etwas vorschlagen darf“, ergriff Meyer, der Größere in Leder, das Wort. „Wir würden Sie zunächst gern zu Ihrem Quartier begleiten. Hier im Haus der Medien gibt es Gästezimmer. Sie können sie nutzen, wenn es Ihnen recht ist.“
„Wenn es Ihnen recht ist …“, echote Nabil. „Und was, wenn nicht? Dann werden Sie uns nahelegen, dennoch diese Zimmer zu nutzen, nicht wahr?“
„Nabil!“, sagte Gregor mit leisem Vorwurf in der Stimme.
Doch Meyer reagierte mit professioneller Gelassenheit. „Wir sind für Ihre Sicherheit verantwortlich und, offen gestanden, hier ist es leichter, sie zu gewährleisten, als in einem öffentlichen Hotel.“
„Ist schon in Ordnung“, sagte Nabil versöhnlich. „Hab es nicht so gemeint.“
Also nahmen sie ihr Gepäck und verließen den Gleiter, angeführt von Meyer und Grieseke. Sie steuerten eine Treppe an, die nach unten führte.
„Gibt es hier keinen Fahrstuhl?“, fragte Sando.
„Es gibt einen, aber wir brauchen ihn nicht“, erklärte Grieseke. „Die Zimmer liegen in der obersten Etage. Von dort aus haben Sie eine ausgezeichnete Sicht auf die Stadt.“
Und so war es auch.
Das Haus der Medien lag unweit vom Stadtzentrum und die Zimmer hatten große Fenster, die bis hinab zum Boden reichten. Das erste, was Sando ins Auge fiel, als er sein Zimmer betrat, war das Kronentor des Zwingers. Es schien zum Greifen nahe. Sein Herz schlug höher, denn zu dem Ensemble des Zwingers gehörte auch die Galerie, in der die Madonna ausgestellt war. Seine Madonna. Marias Madonna. Er fühlte das Medaillon auf seiner Brust und nahm sich vor, dass sein erster Weg in den Zwinger führen würde. Er war gespannt auf die katharsische Variante des Gemäldes, von der ihm Doktor Fasin erzählt hatte.
Es klopfte.
„Wir treffen uns in fünf Minuten. Gegenüber im Konferenzraum.“ Es war Nabils Stimme.
„In Ordnung!“, rief Sando und warf sich auf das Bett, um noch ein wenig zu entspannen.
Fünf Minuten später saßen die Gefährten beisammen. Vom Konferenzraum aus konnten sie die historische Altstadt nicht sehen. Sie blickten auf ein Häusermeer, das sich bis zu den fernen Hängen erstreckte, die das Flusstal begrenzten. Darüber zogen Ketten blitzender Fluggleiter ihre Bahn, ein flirrendes Netz miteinander verwobener Trassen.
Fast wie in Paris , dachte Sando stolz.
Gregor kam rasch zum Thema des Treffens. „Es geht um den Hühnergott. Lasst uns über unser weiteres Vorgehen sprechen. Noch weiß außer uns niemand etwas von dem Fund. Die Frage ist: Bringen wir ihn sofort ins Institut oder warten wir die Sendung bei Vitelli ab?“
Ben lächelte. „Du meinst, wir sollten die Sache an die Öffentlichkeit bringen, damit ein wenig vom Licht des Ruhmes auf uns fällt?“
Gregor errötete leicht. „Es geht mir nicht um Ruhm …“
„Warum denn nicht? Es wäre die Sensation“, rief Nabil aufgeräumt.
Ben schüttelte den Kopf. „Das geht nicht. Wir müssten es Vitelli vorher sagen.“
„Warum denn das?“
„Wer weiß, was passiert, wenn der Hühnergott plötzlich vor aller Augen im Studio präsentiert wird? Vitelli müsste wenigstens die Chance haben, für Sicherheit zu sorgen. Aber ich denke, wir sollten ihn gar nicht erst vor die Wahl stellen. Ich bin dafür, auf eine öffentliche Zurschaustellung zu verzichten.“
„Vielleicht ist es wirklich am sichersten so“, stimmte Sando zu. „Lasst uns den Hühnergott einfach zum Institut bringen.“
Ben schenkte ihm einen anerkennenden Blick und wandte sich dann an Gregor. „Und wofür bist du?“ Mit einem spöttischen Lächeln setzte er hinzu: „Ewiger Ruhm oder Sicherheit?“
Gregor sah ihn vorwurfsvoll an.
„Warum stellst du die Frage so? Denkst du, ich trau mich nicht, ,ewiger Ruhm‘ zu sagen?“
Ben hatte
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