Katharsia (German Edition)
umhüllte. Aus Leibeskräften brüllte er: „Keiner der Gefangenen betritt die Schleuse! Sie kennen die Folgen!“
Es brauchte nur eine einzige Sekunde, während der sich das unbeschreibliche Chaos in den Zellenhintergrund zurückzog und zur tausendäugigen, stummen Seelenwand gerann. Sando ließ sie nicht aus den Augen, öffnete die Tür und betrat die Schleuse im Rückwärtsgang. Gregor folgte ihm und warf die Zellentür zu.
„Was war denn das?“, fragte er. „Du warst ja völlig aus dem Häuschen.“
„Hast du eine Ahnung! Es war, als ob du bei Sturm ins Meer fällst!“
Sie traten aus der Schleuse. Nabil sprang ihnen entgegen und nahm Sando den Kokonbehälter ab. Er musterte ihn neugierig.
„Na, war die Mission erfolgreich?“
Sando befreite seinen Kopf von der Glaskugel und sagte niedergeschlagen: „Die Mühe hätten wir uns sparen können.“
Enttäuscht traten sie den Rückweg an. In der Gondel streiften sich Sando und Gregor die Anzüge vom Leib. Nabil, den Kokonbehälter auf den Knien, klapperte gelangweilt mit dessen Verschluss.
„Ihr hättet sehen müssen, wie sie zusammenhalten“, versuchte Sando, das Scheitern der Mission zu erklären. „Du hast keine Chance, einen von ihnen aus der Gruppe herauszulösen.“
„Mach dir keine Vorwürfe ...“, brummte Nabil. „Du hast dein Bestes getan.“
Die Gondel ruckelte über eine Weiche. Fast gleichzeitig ging die Alarmsirene los. Eine Lautsprecheransage verkündete wiederholt: „Freie Seelen in Trakt E!“
„Das ist irgendwo hier“, stellte Nabil fest, ohne das nervöse Klappern mit dem Verschluss des Kokonbehälters zu unterbrechen.
„Kannst du etwas entdecken, Sando?“, wollte Gregor wissen.
„Nein, bisher nicht.“
Sando musterte angestrengt die Wege links und rechts der Fahrspur. Er beobachtete die Eisengitter der Laufwege, die durch die oberen Etagen führten. Dabei störte ihn das ewige Klappern, das von Nabil kam.
„Bitte, Nabil, hör endlich auf, mit dem Verschluss zu spielen!“, fuhr er ihn an.
„Na hör mal!“, knurrte der Hüne und setzte den Behälter beleidigt auf Sandos Schoß. „Dann halt ihn doch selber!“
Bei dieser Aktion fiel Sandos Blick auf die offen stehende Klappe. Der Kopf einer Seele schaute heraus: Jussuf Mahmoud!
Sando, ganz verdattert, brauchte einen Moment, um die Situation zu begreifen.
„Um Himmels willen, ziehen Sie den Kopf ein! Die Sirene!“
Erschrocken zog sich der Seelenkopf in den Behälter zurück. Sando schloss flink die Klappe.
Gregor und Nabil sahen ihn an wie einen Geisteskranken. „Mit wem redest du, Sando?“
Der Junge hob verschwörerisch den Zeigefinger. „Passt auf, gleich ist der Alarm vorbei.“
Kaum ausgesprochen, ebbte das Geheul ab.
Sando warf den beiden einen triumphierenden Blick zu.
„Er ist hier drin.“
„Wer?“
„Jussuf Mahmoud. Er muss das Chaos genutzt haben …“
Wenig später betraten die Gefährten, den Fang im Kokonbehälter, Doktor Fasins Sprechzimmer.
„Wir haben ihn!“, rief Sando, ohne die Frage des Doktors abzuwarten, und stellte den Behälter auf einen freien Platz zwischen den Kokonaquarien an der Rückwand des Behandlungsraums, der die beklemmende Aura einer Alchimistenküche verströmte.
„Gratuliere! Damit war wirklich nicht zu rechnen.“
Doktor Fasin zog einen der Saugrüssel, die von der Decke baumelten, zu sich heran, öffnete die Klappe und setzte das Rohr an. Es zischte wie auf dem Zahnarztstuhl und Sando sah, wie ins benachbarte Aquarium eine Seele schoss. Sie schlug hart gegen die Wand und blieb benommen am Boden liegen.
Sie sehen nicht, was sie den Seelen hier antun , dachte Sando.
Bevor der Doktor den Sauger abstellte, geschah etwas Überraschendes: Eine zweite Seele landete im Aquarium. Der Doktor, der den Monitor im Auge behalten hatte, bemerkte es sofort an den beiden flimmernden Leuchtpunkten.
Erstaunt fragte er: „Warum bringt ihr zwei Seelen mit?“
Nabil und Gregor sahen Sando verdutzt an und der erklärte kleinlaut: „Es herrschte so ein Durcheinander in der Zelle. Ich habe es nicht bemerkt.“
„Welche von beiden ist denn nun dein Jussuf Mahmoud?“
Sando trat an das Aquarium heran und stellte fest, dass sich die Seelen allmählich wieder von ihrem Aufprall erholten. Verwirrt blinzelten sie ihm entgegen. In einer erkannte Sando das Gesicht vom Vortag wieder. „Es ist die Seele in der Mitte des Gefäßes“, teilte er dem Doktor mit.
„Sicher?“
„Ganz sicher.“
„Dann werden wir die andere
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