Katharsia (German Edition)
durch Schweigen. Gregor und Nabil hatten die Spannung zwischen Sando und Doktor Fasin gespürt und vermieden es, ihren Gefährten im Beisein des Doktors darauf anzusprechen. Sando war ihnen dankbar dafür. Auch Doktor Fasin machte die gesamte Fahrt über keine Anstalten, etwas zu sagen. Ein leises Lächeln umspielte seine Lippen, als wollte er Sando bedeuten: Die Angst vor dem Kreuzritter ist lächerlich! Ich, der hadeserfahrene Seelenexperte, habe alles im Griff!
Erst als sie im Zentrum der Hölle angekommen waren, brach der Doktor das Schweigen. Im Korridor, der zu seinem Sprechzimmer und zu Sandos kleinem Büro führte, fragte er: „Nun, Sando, wie wollen wir vorgehen?“
Der Junge musste nicht lange überlegen. Während ihrer Anreise hatte er die Zeit genutzt, sich über die nächsten Schritte klarzuwerden.
„Zuerst möchte ich in den Strafbunker … äh … Sondertrakt mit den gefolterten Seelen.“
„Wozu denn das?“
Doktor Fasin hob erstaunt die Augenbrauen.
„Na ja … Sie wissen ja, dass ich gestern Marias Mörder getroffen habe. Dieser Jussuf Mahmoud ist dort in einer der Zellen. Ich muss mit ihm reden!“
„Und was hat das mit der Suche nach Wolfenhagen zu tun?“
„Mahmoud hat mich gestern um Hilfe angefleht. Falls er etwas über den Kreuzfahrer weiß, ist er vielleicht bereit, mit mir darüber zu reden.“
„Ich mache dir wenig Hoffnung, ihn zu finden. Wer in diesem Trakt landet, geht unter in einer merkwürdig homogenen Seelenmasse. Jedenfalls sind wir mit unseren Ortungsgeräten überfordert, wenn es darum geht, jemanden zu identifizieren.“
„Ich will es trotzdem versuchen.“
„Aber bitte, ich will dich nicht daran hindern. Und falls du ihn wider Erwarten findest, welche Hilfe willst du ihm denn anbieten?“
„Könnte er in eine geräumigere Zelle verlegt werden?“
Der Doktor sah den Jungen forschend an. „Und dein Hass auf ihn?“
Doktor Fasin erinnerte sich sehr gut an Sandos Gefühlszustand vom Vortag.
„Der ist nicht so wichtig“, behauptete Sando tapfer.
„Na dann, versuch dein Glück! Nimm einen Kokonbehälter mit und bring den Gefangenen zunächst zu mir ins Sprechzimmer. Über die Verlegung entscheidet Direktor Kamlan. Aber ich denke, es wird kein Problem geben.“
„Danke, Herr Doktor!“, sagte Sando erfreut.
So kooperativ, wie sich der Doktor zeigte, schien nun alles wieder in Ordnung zwischen ihnen zu sein. Die Missstimmung der letzten Stunde war vergessen.
„Ich brauche zwei Schutzanzüge. Einen für mich und einen für …“ Sando wandte sich an seine Gefährten. „Na, wer von euch erbarmt sich, mit mir in die Zelle zu kommen?“
Gregor und Nabil schienen ein wenig überfahren zu sein.
„Also, wenn du darauf bestehst …“, fing Nabil gedehnt an.
Sando ließ ihn nicht ausreden.
„Alles klar, einen Anzug für Gregor!“, bestimmte er.
Nabil schluckte diese kurze Abfertigung mit einem säuerlichen Blick, sagte aber nichts.
Der Doktor grinste und bat die Gefährten in sein Sprechzimmer. Dort händigte er ihnen Schutzanzüge und Kokonbehälter aus. Sando fragte noch nach der richtigen Zellennummer, dann machten sich die drei auf den Weg zum Strafbunker im Trakt E.
Die Fahrtzeit in der Streckengondel nutzend, zogen sich Sando und Gregor die Schutzanzüge an. Dank der Inspektion vom Vortag konnte außerhalb der Zellen auf die lästigen Skaphander verzichtet werden. Nabil genoss es und hielt derweil den Kokonbehälter auf seinem Schoß.
Im Sondertrakt angekommen, stiegen sie aus und schauten nach der richtigen Zellennummer. Sie mussten in den zweiten Stock. An der eisernen Treppe standen noch die Behälter, in denen die Gefolterten hierher transportiert worden waren.
„Die Schlepperei hätte ich mir sparen können“, brummte Nabil angesichts des Kistenstapels.
Im zweiten Stock angekommen, waren es nur noch wenige Meter bis zu der gesuchten Zelle. Bevor er mit Gregor die Schleuse betrat, sagte Sando: „Pass auf, dass dein Anzug immer richtig sitzt, Gregor! Unterschätze es nicht, auch wenn es für dich nur ein leerer Raum ist!“
Er nahm Nabil den Kokonbehälter ab und öffnete vorsichtig die äußere Schleusentür. Erleichtert stellte er fest, dass sie leer war, frei von Seelenteilen.
„Komm rein und schließ die Tür!“, forderte er Gregor auf.
Nachdem das geschehen war, erklärte er: „Nicht erschrecken, Gregor! Ich muss jetzt laut etwas rufen. Das ist Vorschrift.“
„Schon in Ordnung“, schnaufte Gregor unter seinem Helm. Er
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