Katharsia (German Edition)
mal wieder zurückbefördern“, kündigte der Doktor an und langte nach einem Steuerungshebel an seinem Pult.
Gregor und Nabil standen hinter ihm und verfolgten gebannt, mit welchem Geschick er ein Saugrohr zu dem ungebetenen Gast hindirigierte. Doch ehe er es in die richtige Position gebracht hatte, warf Gregor ein: „Bitte, Herr Doktor, lassen Sie sie dort! Zwei Seelen wissen vielleicht mehr als eine.“
„Genau“, brummte Nabil. „Wer weiß, warum sie mitgekommen ist.“
Doktor Fasin nahm die Hände vom Pult.
„Na, dann versucht euer Glück.“
Sando beugte sich zu der Sichtscheibe hinab. Er hatte den Mörder Marias nun nah vor seinen Augen. Mühsam unterdrückte er den aufwallenden Hass.
„Jussuf Mahmoud, können Sie mich hören?“
Die Seele hob müde ihren Kopf und schwieg.
„Jussuf Mahmoud!“, rief er mit Nachdruck.
„Ist das mein Name?“, kam es gedämpft durch die Glaswand.
„Aber das wissen Sie doch!“
„So?“ Mahmoud dachte nach. „Es war nur so eine Ahnung. Als du in der Zelle diesen Namen riefst, kam es mir so vor, als meintest du mich. Aber diesem Kämpfer“, er deutete auf die zweite Seele, die misstrauisch das Geschehen verfolgte, „ist es wohl ebenso ergangen.“
„Kämpfer?“
„Ja. Warum fragst du?“
„Und Sie, Jussuf? Sind Sie auch ein Kämpfer?“
„Wir alle sind es“, antwortete Jussuf erstaunt, dass Sando nach solch einer Selbstverständlichkeit fragte.
„Du bist sehr jung“, entschuldigte er ihn schließlich. „Bald wirst auch du zu uns gehören.“
Eine merkwürdige Weissagung , dachte Sando, übersetzte seinen Gefährten den bisherigen Verlauf des Gespräches und wandte sich dann wieder an Marias Mörder.
„Wie kommt es, dass Sie Ihren Namen vergessen haben? Gestern wussten Sie ihn noch.“
„Ein Name …“ Jussuf wirkte in sich gekehrt und sagte mehr zu sich selbst: „Wozu?“
„Brauchen Sie keinen?“
„Du sagst es, Junge.“
„Weil Sie ein Kämpfer sind?“
Jussuf antwortete nicht. Sando drehte sich ratlos zu seinen Gefährten um.
Gregor trat zu ihm an das Aquarium und fragte: „Wofür kämpfen Sie denn?“
Jussuf quittierte den neuen Gesprächspartner mit einem irritierten Blick und sagte immer noch nichts.
„Für Allah?“, stieß Gregor nach.
Die Seele horchte auf. „Das ist auch ein Name. Der Junge hat ihn in der Zelle genannt.“
Sando glaubte, sich verhört zu haben.
„Allah ist für Sie nur ein Name?“, fragte er den eingefleischten Gotteskrieger.
„Was sonst?“
Sando raunte Gregor zu: „Es ist unglaublich! Er verleugnet ihn. Will er uns veralbern?“
„Sie wissen also nicht, wofür Sie kämpfen?“, fragte Gregor.
„Im Moment nicht.“
Kopfschüttelnd übersetzte Sando, woraufhin Gregor sarkastisch fragte: „Ach, und wann werden Sie es wissen?“
„Wenn ER es uns sagt.“
„Wenn ER es uns sagt?“, echote Sando. „Wen meinen Sie damit? Heißt ER vielleicht Wolfenhagen?“
Jussuf antwortete nicht sofort.
Gregor stieß Sando an und hob zuversichtlich den Daumen, denn nun, so glaubte er, würde sie Jussuf auf die Spur des Kreuzfahrers führen.
Doch so leicht machte die Seele es ihnen nicht.
„ER hat keinen Namen“, sagte Jussuf im Brustton der Überzeugung.
Sando gab es auf. „Der Kerl spinnt! Es hat keinen Sinn!“
Doktor Fasin stand von seinem Pult auf.
„Na, meine Herren? Vernehmung beendet?“
„Nicht ganz. Versuchen wir es mit der anderen Seele!“
Sando klammerte sich an den letzten Strohhalm.
„Meinst du wirklich?“, fragte Doktor Fasin skeptisch. „Ich fürchte, es ist Zeitverschwendung. Auch die zweite Seele wird sich einbilden, ein Kämpfer zu sein, dessen Führer namenlos ist.“
„Bitte!“, bettelte Sando.
„Ich denke, Doktor Fasin hat Recht!“, mischte sich Gregor ein.
Sando wollte schon aus der Haut fahren, weil ihm Gregor in den Rücken fiel, doch der kam mit einem Vorschlag.
„Wie wäre es mit einem Brainscreening?“
Doktor Fasin sah ihn schräg an.
„Sie haben doch eine Brainscreening-Apparatur hier, Herr Doktor?“
„Gewiss.“
„Können wir es nicht einmal damit versuchen? Es muss doch in Jussufs Hirn etwas zu finden sein von dem, was zwischen gestern und heute passiert ist.“
„Kann sein“, räumte Doktor Fasin ein.
„Dann lassen Sie uns keine Zeit verlieren!“
Gregor kehrte zurück zum Steuerpult.
Obwohl es ihm augenscheinlich gegen den Strich ging, setzte Doktor Fasin per Fernsteuerung einen Gelenkarm in Bewegung, an dessen Ende
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