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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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waren Gregor und Nabil im Bilde, worauf es an diesem Tag im Hades ankam.
    Wenige Minuten später lief Sando die Freitreppe hinab. In seinem Hemd knisterte die Landkarte, die er in der Nacht mit Jannis betrachtet hatte. Er eilte auf den Brunnen zu, denn er wollte ihn sich noch einmal aus der Nähe ansehen, ehe er mit Doktor Fasin und seinen Gefährten zum Hades aufbrach. Ohne besondere Auffälligkeiten stand das rustikale Gebilde auf der kurzgeschorenen Rasenfläche und reckte sein knorriges Schöpfwerk in die Morgensonne. Auf dem Rand stand wie immer der hölzerne Eimer, der über einen Strick mit der Walze des Schöpfwerkes verbunden war.
    Sando fasste nach der Kurbel. Sie ließ sich mit einem Quietschen drehen. Der Strick spannte sich und zog den Eimer vom Rand. Er baumelte nun über dem schwarzen Abgrund. Langsam ließ ihn Sando hinab. Doch bald war das Ende erreicht. Das überraschte ihn nicht, denn er wusste bereits von Doktor Fasin, dass der Brunnenschacht eine Attrappe war.
    Nachdem er den Eimer trocken wieder ans Tageslicht befördert hatte, umkreiste er den Brunnen auf der Suche nach einer Erklärung für die Größenveränderung, die er glaubte, in der Nacht beobachtet zu haben. Doch er fand nichts. Nicht den kleinsten Anhaltspunkt. Enttäuscht setzte er sich auf den Brunnenrand. Ein leises Vibrieren durchlief seinen Körper. Kaum spürbar.
    Konnte er seiner Wahrnehmung trauen oder narrte sie ihn erneut? Er konzentrierte sich, legte die Fingerspitzen auf das raue Naturgestein des Brunnenrands. Kein Zweifel, der Brunnen erzitterte in feinsten Schwingungen!
    „Alles in Ordnung, Sando?“
    Der Junge erschrak. Er hatte Doktor Fasin nicht kommen hören. „Ich weiß nicht“, sagte er irritiert. „Der Brunnen …“
    „Was ist mit ihm? Gefällt er dir nicht?“
    „Doch, doch“, beeilte sich Sando zu versichern, denn er wusste, dass Doktor Fasin dieses Zeugnis alter Technik liebte. „Aber … es klingt vielleicht albern, aber kann der Brunnen seine Größe verändern?“
    Doktor Fasin hatte sichtlich Mühe, ein Lachen zu unterdrücken. „Wie kommst du denn darauf, Junge?“
    Sando war es peinlich, aber es gab kein Zurück mehr.
    „Na ja, letzte Nacht schien er mir unnatürlich groß zu sein.“
    „Letzte Nacht?“ Der Doktor schmunzelte. „Es war alles ein bisschen viel, nicht wahr?“
    „Mag ja sein, aber jetzt bin ich ausgeschlafen“, hielt Sando dagegen.
    „Und jetzt?“, fragte Doktor Fasin belustigt. „Ist der Brunnen größer als sonst?“
    „Nein. Aber er vibriert. Kommen Sie her, es ist deutlich zu spüren.“
    Doktor Fasin folgte der Einladung mit einem Schulterzucken und setzte sich zu Sando auf den Brunnenrand.
    „Na, spüren Sie es?“
    „Nein“, sagte Doktor Fasin. „Da ist nichts. Wie es scheint, hat dein Schlaf nicht ausgereicht.“
    „Aber ich kann es deutlich …“, versuchte Sando zu protestieren, doch der Doktor ließ ihn nicht ausreden.
    „Vielleicht solltest du heute den Besuch im Hades ausfallen lassen? Ein wenig Ruhe würde dir guttun, Junge.“
    Er fasste Sando an die Stirn.
    Der schob die Hand beiseite und sagte bestimmt: „Nein! Ausgeschlossen! Ich muss hin!“
    „Was ist los mit dir, Sando? Du bist doch sonst nicht so erpicht darauf“, wunderte sich der Doktor.
    „Ganz einfach: Wir müssen Wolfenhagen finden!“
    „Was ist denn so wichtig an diesem alten Kreuzritter, dass die Suche nach ihm nicht einen Tag Aufschub duldet?“
    „Er ist nicht nur ein skrupelloser Mörder, er ist auch … wie soll ich sagen … intelligent …“
    „Ich verstehe“, sprang Doktor Fasin ein. „Du meinst, dieser Mann ist eine höchst gefährliche Führerfigur.“
    Sando störte die Ironie, mit der ihm Doktor Fasin begegnete, und antwortete ein wenig verstimmt: „Wenn Sie es so ausdrücken wollen …“
    „Und worin besteht die Gefahr, wenn ich fragen darf?“
    „Das liegt doch auf der Hand. Er macht gemeinsame Sache mit den Seelenrettern. Der Präsident hält den Hades nicht mehr für sicher.“
    „Tatsächlich? Der Präsident fürchtet einen alten Kreuzritter?“, fragte der Doktor spöttisch. „Also ich halte das für ein wenig übertrieben.“
    „Sie kennen Wolfenhagen nicht“, murmelte Sando.
    Der Doktor nickte nur und nahm Sando am Arm.
    „Dann komm, mein Junge, suchen wir ihn! Ich platze schon vor Neugier.“
    Stumm ließ sich Sando zum Gleiter führen. So hochmütig, wie der Doktor heute zu ihm war, konnte er ihn nicht ausstehen.
    Die Fahrt zum Hades war geprägt

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