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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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drohend auf die Touristen gerichtet. Sando verstand in dem Tohuwabohu nur zwei Satzfetzen, die in gebrochenem Deutsch gebrüllt wurden: „Geiselnahme … sitzen bleiben …“
    Einer der Geiselnehmer arbeitete sich laut fluchend durch den Mittelgang auf Sando und Maria zu. Neben der Sitzbank vor ihnen machte er halt, riss dem Mann, der gerade noch gegen den Müll in der Landschaft gewettert hatte, ein Mobiltelefon aus den Händen, warf es zu Boden und zertrat es mit seinen Stiefeln. Dann zerrte er den etwa Vierzigjährigen am Kragen aus der Bank und drückte ihm den Lauf der Pistole an die Wange.
    „Bitte … nicht!“, flehte der Bedrohte, am ganzen Körper schlotternd.
    Der Vermummte schrie etwas und schlug dann unvermittelt mit der Pistole zu. Der Tourist sackte zusammen. Mit seinen schwarzen Augen Maria taxierend, zog sich der Bewaffnete zurück.
    Die Stille im Bus war von Angst erfüllt. Nur das Wimmern des Geschlagenen, der mit blutendem Kopf im Gang lag, klang hin und wieder auf. Die Frau, die in der Bank neben ihm gesessen hatte, wagte es schließlich, ihm unter den argwöhnischen Blicken der vermummten Gestalten aufzuhelfen.
    Maria fasste Sando bei der Hand und drückte sie fest. In ihren Augen lagen Ratlosigkeit und Entsetzen. „Da hab ich dir ja was Schönes eingebrockt …“, flüsterte sie.
    „Mir werden sie schon nichts tun. Aber was wird mit dir?“, raunte Sando, dem der begehrliche Blick des Geiselnehmers nicht entgangen war. „Gib mir die Madonna!“, flüsterte er.
    „Die Madonna? Wieso denn das?“
    „Nun mach schon! Ich habe das Gefühl, eine christliche Madonna wird sie nicht sehr freundlich stimmen.“
    „Vielleicht hast du Recht“, gab Maria zu und öffnete mit einer unauffälligen Bewegung den Verschluss der Kette.
    Sando nahm das Schmuckstück in die Hand und betrachtete die Madonna. Unversehens klappte das Bild hoch und gab ein kleines Fach im Inneren des Medaillons frei.
    „Ein Geheimfach?!“ Sando sah Maria überrascht an.
    „Ich wusste nie, wozu ich es nutzen sollte.“
    Sando klappte das Amulett wieder zu und steckte es vorsichtig in seine Hosentasche. Trotz des Ernstes der Situation zwinkerte er Maria zu. „Jetzt muss ich wirklich aufpassen, dass sie dich nicht auf dem Basar versteigern.“
    Maria lächelte matt. Ihre Hand lag zitternd in der seinen.
    Ein Zischen ertönte. Die hintere Tür des Busses, die sich unmittelbar neben Sandos und Marias Sitzbank befand, öffnete sich. Aber niemand erschien. Nur eine Plastiktüte wehte herein und verfing sich am Haltegriff.
    Sandos Gedanken arbeiteten fieberhaft: Hatte etwa der Busfahrer die Tür heimlich geöffnet? Sollte er es wagen, unbemerkt hinauszuspringen und Hilfe zu holen? Schließlich hatte er versprochen, Maria zu beschützen. Und hier bot sich eine Gelegenheit.
    Jetzt oder nie, dachte Sando.
    Geduckt schlüpfte er zum Ausstieg. Im Bus blieb alles ruhig – bis auf einen unterdrückten Entsetzenslaut von Maria. Er blickte sich nach ihr um. Sie machte verzweifelte Gesten, er möge zurückkommen. Doch sein Entschluss stand fest.
    Du musst keine Angst haben, Maria , dachte er. Ich werde dich hier nicht diesen Verbrechern überlassen.
    Vorsichtig lugte er zur Tür hinaus. Heißer Sand wehte ihm in die Augen, knirschte zwischen seinen Zähnen. Von den Geiselnehmern war nichts zu sehen. Sollte er es wirklich wagen? Hinaus in diese Einöde und wer weiß wie weit laufen durch die Sonnenglut? Jetzt fiel ihm auf, dass er Sonnenbrille und Schirmmütze vergessen hatte. Sollte er zurück und sie holen?
    Ausgeschlossen, sie würden mich entdecken , dachte Sando. Wenn ich noch länger zögere, ist die Chance vertan.
    Er krallte sich am Haltegriff fest, um richtig Schwung zu holen. Also hinaus jetzt in den Sandsturm!
    Doch es war zu spät. Wie aus dem Nichts tauchte vor ihm der Lauf einer Waffe auf, dahinter, umrahmt von einem gemusterten Tuch, schwarze, ausdrucksvolle Augen, die ihn anvisierten. Sie mochten einem Jungen gehören, der nicht viel älter war als er.
    Sando stand wie gelähmt. Er war verwirrt, konnte sich nicht vorstellen, dass jemand, der ihn so anschaute, auf ihn schießen würde. Und auch sein Gegenüber schwieg. Er wartete darauf, dass Sando zu seinem Platz zurückkehrte. Offenbar verließ er sich ganz auf die Einsicht der Geisel angesichts einer drohenden Waffe.
    Es herrschte eine angespannte Stille. Nur das Pfeifen des Windes war zu hören, dieses ewige Wehen, das unaufhörlich nichtsnutzige Plastiktüten vor sich

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