Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
Vom Netzwerk:
eben hier und hat mir gesagt, wir sollen sofort aus dem Haus verschwinden und Sina mitnehmen.“
    Denises Kinnlade klappte herunter. Sie starrte Sando an, als wäre er selbst ein Geist.
    „Wir müssen uns beeilen, sie werden gleich hier sein!“, drängte der Junge.
    Vom Himmel näherte sich ein Rauschen und schweres Flügelschlagen. Engel!
    Denise, Sina und Sando standen im Schutz des Sonnensegels. So konnten sie nichts sehen, aber von oben auch nicht gesehen werden. Das bedrohliche Geräusch entfernte sich wieder. Die drei schauten sich an. Sie wussten, dass damit die Gefahr nicht vorüber war. Der Hof war zu eng, als dass die Engel hier hätten landen können. Sie würden irgendwo in der Nähe niedergehen und bald an ihrer Tür sein. In Denises Körper kam plötzlich Bewegung. Sie hatte begriffen, dass zum Lamentieren keine Zeit blieb. Sando hatte schon mehrfach die Gelegenheit gehabt, ihre Geistesgegenwart in Extremsituationen zu bewundern. So auch jetzt. Rasch schleppte sie die robuste Haushälterin, die die Hände über dem Kopf zusammenschlug, ins Haus. Drinnen rumorte es. Offenbar versuchten die Frauen in aller Eile, ein paar Sachen zusammenzukramen.
    In dieses Gescharre und Getrappel hinein mischte sich plötzlich ein anderer Laut: ein rabiates Pochen an der Tür.
    Sofort war Stille im Haus. Sando stockte das Herz. Die Frauen, bleich vor Entsetzen, kamen, leise auf Zehenspitzen schleichend, in den Hof. Denise trug einen kleinen Rucksack auf dem Rücken. Der einzige Weg, der ihnen blieb, führte über die Mauer. Glücklicherweise lag auf dem Hof eine Leiter bereit.
    Die Schläge an der Tür wiederholten sich, laut und ungeduldig. Sando stellte hastig die Leiter auf und hatte sie schon halb erklommen, als ihm einfiel, dass er weder Pass noch Flugticket bei sich hatte. Also kletterte er zurück.
    „Was ist los?“, fiepte Denise.
    „Hast du Pass und Flugticket bei dir?“, fragte Sando atemlos.
    „Natürlich! Du etwa nicht?“
    Er hastete über den Hof zurück ins Haus. Das Pochen an der Haustür dröhnte in seinen Ohren. Er musste es schaffen! Sie durften die Papiere nicht finden. Noch wussten die Mörder nicht, wer die Augenzeugen des Geschehens in der Wüste waren, von denen Ben bei dem General gesprochen hatte. Pass und Ticket jedoch würden sie auf ihre, Sandos und Denises, Spur bringen.
    Er sprang die Treppe hinauf ins Obergeschoss, riss die Tür zum Bad auf, durchwühlte den zerrissenen Kaftan, den er hier hingeworfen hatte, bevor er auf Denises Geheiß in die Wanne gestiegen war. Er fand das Gesuchte.
    Erleichterung.
    Jetzt wieder den Weg zurück. Die Treppe hinunter.
    Was lag dort für ein brauner Umschlag am Boden? Die Fotos von der Beerdigung! Sie mussten mit!
    Ein rascher Griff. Nun noch der Weg über den Hof. Das Klopfen hatte aufgehört, dafür hörte man jetzt ein metallisches Klicken. Jemand machte sich am Schloss zu schaffen. Die Tür konnte jeden Moment aufspringen.
    Schon war Sando wieder an der Leiter. Oben auf der Mauer saß Sina, verzweifelt, sie traute sich nicht, auf der anderen Seite hinabzuspringen. Sando hastete hinauf, immer zwei Sprossen auf einmal nehmend. Sina atmete schwer. In der Gasse jenseits der Mauer stand Denise und streckte ihr die Hände entgegen.
    Sando warf dem Engel den Umschlag mit den Fotos zu. „Steck das in den Rucksack, Denise.“
    Dann legte er seine Hand beruhigend auf Sinas Schulter.
    „Ich springe jetzt hinunter, zu zweit können wir dich besser auffangen.“
    Sina schnaufte nur.
    Sando sprang. Kurz darauf hörte er ein scharfes Zischen und einen Schrei. Nach der harten Landung im Staub der Gasse blickte er zurück zur Mauerkrone. Die Haushälterin war verschwunden. Wo sie gesessen hatte, begann die Luft zu flimmern. Trotz des gleißenden Sonnenlichtes konnte Sando Sinas Seele erkennen. Verzweifelt versuchte sie, in den Himmel zu entkommen, doch irgendetwas hielt sie zurück. Es hatte den Anschein, als kämpfe sie gegen einen mächtigen Sog, der sie herabzuziehen versuchte. In der Luft lag ein seltsames Rauschen. Langsam schwoll es an und die Seele sank immer tiefer, unaufhaltsam, bis sie mit einem klagenden Zirpen hinter der Mauer verschwand.
    Erst jetzt spürte Sando, dass sich Denise schluchzend an ihn klammerte, ihn daran hinderte, zu tun, was ihm sein Unterbewusstsein befahl: Lauf! Nur raus aus dieser Gasse, ehe sie zur Falle wurde, aus der es kein Entrinnen gab!
    Grob stieß er Denise von sich. Mit einem erstickten Schmerzensschrei taumelte sie

Weitere Kostenlose Bücher