Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
Vom Netzwerk:
zurück, in ihrem Blick maßlose Verwunderung. Sando griff sie beim Handgelenk und stiefelte los, was seine Kräfte hergaben. Instinktiv nahm er die Richtung zum Basar. Die willenlose Last, die er schnaufend hinter sich her schleppte, gab ihm das Gefühl, als wäre er an eine Eisenkugel gekettet.
    „Lauf, Denise! Du musst laufen!“, keuchte er. „Ich schaff es nicht allein!“
    Erschöpft blieb er stehen und schüttelte sie.
    Denise erwachte wie aus einer Trance. Und endlich liefen sie gemeinsam, bis ihre Lungen brannten, bis sie in die wogende Menge des Basars eintauchten, sich darin verloren wie zwei Regentropfen in einem Ozean. Erst im Schutz der Menge wagten sie einen Blick zurück. Über dem Viertel, aus dem sie gerade geflohen waren, kreisten KORE-Engel im roten Licht der tief stehenden Sonne.
    „Hier werden sie uns nicht finden“, sagte Sando, nach Atem ringend. „Sie wissen nicht, nach wem sie suchen sollen.“
    Seiner Gefährtin liefen die Tränen über das Gesicht. „Armer Ben! Arme Sina!“, schluchzte sie und drückte krampfhaft Sandos Hand. Der Junge zog sie weiter, immer tiefer in den Basar hinein. Je mehr Menschen er um sich wusste, desto sicherer fühlte er sich. Erst als er durchdringende Flötenmusik vernahm, machte er Denise ein Zeichen, stehen zu bleiben. Noch konnten sie den Schlangenbeschwörer nicht sehen.
    „Dort werden viele Fotos gemacht. Wir sollten einen anderen Weg nehmen.“
    Sando schob Denise in eine Lücke zwischen zwei Ständen. Hier konnten sie ein wenig verschnaufen, denn sie wurden nicht geschoben von dem unaufhörlichen Menschenstrom.
    Die KORE-Engel kreisten inzwischen über dem Basar. Die Sonne war hinter den Marktständen verschwunden und färbte den Himmel blutrot.
    „Der Basar schließt bald“, sagte Denise beunruhigt. „Wir müssen eine Bleibe finden.“
    „Kennst du niemanden?“
    „Kennen schon. Aber alle halten mich für tot. Ich weiß nicht, was passiert, wenn ich plötzlich bei jemandem vor der Tür stehe. Oh, Sando, in was habe ich dich da nur hineingezogen?!“
    Denise schniefte.
    Sando kam einem neuerlichen Tränenschwall zuvor, indem er sagte: „Es muss hier irgendwo eine Stele geben. Ben erwartet uns dort.“ Auf den überraschten Blick seiner Gefährtin hin ergänzte er: „Ich meine … seine Seele.“
    Denise fing sich rasch wieder. „Komm, es ist nicht weit von hier!“ Sie zog ihn wieder hinein in den Menschenstrom, der merklich abgenommen hatte. Die ersten Händler begannen bereits, ihre Waren in Kisten und Körben zu verstauen. Die Flötenmusik war längst verstummt. Im Vorbeigehen sah Sando, wie der Schlangenbändiger den Teppich, auf dem er gesessen hatte, einrollte. Dann entdeckte er die Stele. Sie ragte aus der Menge hervor. Um sie herum geisterte Ben und musterte aufgeregt die Vorbeiziehenden.
    „Dort ist er, direkt an der Stele!“, raunte er Denise zu.
    Der kleine Engel nickte nur und starrte mit großen Augen nach vorn in der Hoffnung, auch etwas zu erkennen. Doch vergebens.
    Als Ben ihrer gewahr wurde, trat Erleichterung in seine Miene. „Da seid ihr ja!“, zirpte er Sando ins Ohr. „Ich hatte schon das Schlimmste befürchtet. Wo ist Sina?“
    „Sie hat es nicht geschafft.“
    Bens Gesicht verzog sich in jähem Schmerz.
    „Wir mussten über die Hofmauer fliehen“, erklärte Sando. „Sie hat sich nicht getraut zu springen.“
    „Und ihre Seele?“
    „Die haben sie auch. Wir konnten nichts tun.“
    Ben umkreiste die Stele, rang um Fassung. „Wir müssen weg von hier“, zirpte er schließlich. „Wenn einer von ihnen zu nahe kommt, kann er mich orten.“ Er deutete zum Himmel, wo die Engel immer noch kreisten, und setzte hinzu: „Eine frei fliegende Seele erscheint als leuchtender Punkt auf ihrem Helmbildschirm.“
    Einer der Engel nahm plötzlich Kurs in ihre Richtung. In Bens Augen flackerte die Angst. „Gleich wird er mich entdecken! Du musst mir helfen, Sando!“
    „Wie denn?“
    Ben blieb jedoch keine Zeit für weitere Erklärungen. Er schwebte dicht an Sando heran, drang in ihn ein.
    Es war wie ein Faustschlag in die Magengrube. Sando rang nach Luft. Seine Knie wurden weich. Er musste alle Kraft aufbieten, um auf den Beinen zu bleiben. Mit weit aufgerissenen Augen blickte er dem anfliegenden Engel entgegen. Die geflügelte Kampfmaschine erschien Sando merkwürdig doppelt. Verwirrt schloss er die Augen. Nun sah er den Engel klar und deutlich.
    Wie kann das sein , dachte Sando, bis er begriff, dass es Bens Augen

Weitere Kostenlose Bücher