Katharsia (German Edition)
KORE-Kämpfer. Aber die Rolle dieses Herrn ist mir unklar. Weißt du, wer das ist?“
Dem General wird die Uniform zu eng. Mit einer fahrigen Bewegung öffnet er den Hemdkragen.
„Ich habe keine Ahnung, Ben …“
„Das nehme ich dir nicht ab.“
Assadi erhebt sich. „Ich glaube, es ist besser, du gehst jetzt. Ich kann dir nicht helfen.“
Der Chef der Gefahrenabwehr lässt das Foto auf den Tisch zurückgleiten. Es schlittert über die Tischkante hinaus und landet auf dem Boden.
Ben Hakim bückt sich mühsam, hebt es auf, wagt noch einen Versuch: „Achmed, es verschwindet Retamin in Mengen, von denen wir uns noch keinen Begriff machen. Das wird dir in deiner Position nicht entgangen sein. Dort draußen in der Wüste taucht eine gigantische Echse auf, deren Besitzer ermordet wird, und es scheint, dass einige Leute des KORE großes Interesse daran haben, die Hintergründe zu vertuschen. Und die beiden Toten, die hier mit vollen Ehren bestattet wurden, steckten ganz tief mit drin.“
„Aber Ben, du siehst Gespenster! Die Jungs vom KORE … Das ist undenkbar!“
Etwas im Klang seiner Stimme ist nicht echt.
„Es gibt Augenzeugen, Achmed.“
„Augenzeugen? Welche Augenzeugen?“ Assadis Lider verengen sich.
Ben bemerkt, dass er einen Fehler gemacht hat. Er erhebt sich, seine müden Bewegungen verraten Enttäuschung.
„Es ist wirklich besser, ich gehe jetzt.“
Der General, sichtlich erleichtert, hebt bedauernd die Hände. „Es tut mir leid, dass ich dir nicht helfen kann, Ben.“
Er streckt dem Alten zum Abschied die Hand über den Tisch.
Ben zögert, einzuschlagen.
Die Vorzimmerdame weht herein. „Anruf von der Wache, Herr General, der angekündigte Besuch ist eben eingetroffen.“
Assadi wird wachsbleich. Seine Hand, die der Alte ausgeschlagen hat, sinkt kraftlos herab.
„Bitte geleiten Sie Herrn Hakim hinaus.“
Ben verlässt das Büro, geht am gläsernen Fahrstuhl vorüber. Ihm ist nach frischer Luft. Eine Tür führt auf einen Balkon hinaus. Er öffnet sie. Wind schlägt ihm entgegen. Impulsiv dreht er den Kopf zur Seite und sieht den Mann in Zivil, der im Fahrstuhl nach oben kommt, ein Schlangenzeichen am Revers. Zwei KORE-Kämpfer eskortieren ihn. Die Mandelblütendame steht bereit, ganz perfektes Empfangslächeln.
Ben wird schlecht. Er betritt den Balkon. Die Luft tut ihm gut. Er steht an der Brüstung. Atmen, tief durchatmen. Von hier oben ist alles so klein: die Menschen, die Autos – warum nicht auch die Niedertracht?
Hinter ihm geht die Tür. Schritte kommen auf ihn zu. Er schafft es nicht mehr, sich umzudrehen. Harte Hände heben ihn an, er hängt über dem Abgrund, verharrt für den Bruchteil einer Sekunde, dann im Magen das Gefühl von Achterbahn, Rauschen in den Ohren, die Welt rast auf ihn zu, wächst ins Unermessliche, schlägt über ihm zusammen.
Sando erwachte mit einem Schrei.
Ben Hakim, was ist mit Ben Hakim?
Sein Herz hämmerte. Jetzt erst bemerkte er, dass er auf seinem Bett saß, Decke und Kissen zerwühlt.
Ein Albtraum, es war nur ein Albtraum , sagte er sich erleichtert. Sicher ist der Alte inzwischen nach Hause gekommen, sitzt unten in der Küche bei Sina und wartet auf das Essen.
Er ließ sich wieder in die Kissen fallen, atmete tief.
Erst mal zur Ruhe kommen nach dem Schreck!
Auf einmal beschlich ihn ein eigenartiges Gefühl. Es kam nicht von dem Traum, der ihm noch immer in den Gliedern steckte. Nein, er fühlte sich beobachtet. Irgendjemand musste hier im Raum sein.
Sando schaute sich um.
Nichts.
Ruhig bleiben , sagte er sich, deine Nerven sind überspannt.
Was war das für ein Wispern? Sando lauschte angestrengt. Drehte er jetzt ganz durch oder jammerte da wirklich jemand mit einem dünnen Stimmchen? Eindeutig hörte er einzelne Worte heraus: „… es ist vorbei … sie sind verloren …“ Wie aus weiter Ferne wehten sie ihn an und doch hatte Sando das Gefühl, dass sie ganz aus der Nähe kamen. Aber wie sollte das möglich sein? Hier im Zimmer war nichts, nur ein Wabern in der Luft, wie Hitzeflimmern.
Er blickte genauer hin und erkannte deutliche Konturen, die Gestalt eines Jungen, der in seinem Alter sein mochte. Es war eine Seele, die dort im Zimmer herumgeisterte! Gebannt starrte er auf die Erscheinung, die sich unstet mal hierhin, mal dahin schlängelte, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung in den Augen.
Sando hielt den Atem an. Der durchsichtige Junge spürte seinen Blick. Er verharrte einen Moment und schaute ihn unverwandt an, als
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