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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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essen? Und wo sind seine Eltern? Doch er hat keine Zeit, darüber nachzudenken, denn wildes Geschrei erfüllt plötzlich die Nacht. Es scheint aus dem Karren zu kommen. Ben sieht, dass er bedrohlich schwankt. Die Plane zuckt unter heftigen Schlägen gegen die Innenseite. Auf dem Gefährt scheint ein Kampf entbrannt zu sein.
    Achmed! Sie haben ihn entdeckt! Gregor war offensichtlich nicht der Einzige auf dem Karren! Schon kreisen die Kreuzfahrer, die eben noch gierig ihre Bäuche gefüllt haben, bewaffnet mit Schwertern und Spießen den Wagen ein. Ben steht da wie gelähmt. Noch kann er Achmed nicht sehen, nur Gregor, der hohlwangig im Heck sitzt und mit geweiteten Augen ins Innere des Karrens blickt. Der ausgezehrte kleine Kerl beginnt zu weinen. Einer der Kreuzfahrer packt ihn und zerrt ihn herunter vom Wagen. Nun ist der Weg frei für den Rotgesichtigen. Fluchend beugt er sich hinein in das Gefährt. Und dann, mit einem Ruck, befördert er Achmed ans Licht, ein brüllendes, strampelndes Etwas, eine makabre Geburt.
    In Bens Kopf hämmert es: Sie werden ihm nichts tun! Er ist erst fünfzehn! Wollte nur seinem Freund helfen! Ein Kind noch! Sie haben den gleichen Gott wie wir! Nein, sie werden ihm nichts tun!
    Es ist Ruhe eingetreten. Achmed steht am Planwagen, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Er blutet am Arm, sein Atem geht keuchend. Die Kreuzfahrer mustern ihn mit finsteren Blicken. Der Rotgesichtige tritt an ihn heran und setzt ihm ein Messer an den Hals. Ben erkennt Achmeds Dolch. Soll er seinem Gefährten jetzt zum Verhängnis werden?
    Die Hand des Kreuzfahrers zuckt. Blitzschnell fährt die Waffe von Achmeds Hals über die Brust bis hinunter zum Bauch. Ein hässliches reißendes Geräusch, ein Angstschrei, dann steht Achmed mit freiem Oberkörper da. Die Truppe johlt. Ben sieht erleichtert, dass sein Freund unverletzt ist.
    Den Kreuzfahrern scheint der Spaß nicht zu reichen. Ihre Gesten, ihre Rufe feuern den Rotgesichtigen an, mehr zu bieten. Der lässt sich auch nicht lange bitten, setzt das Messer auf Achmeds Bauch. Ein kräftiger Schnitt – der Gürtel ist durchtrennt, die Hose fällt zu Boden und der Gefesselte steht splitternackt vor einem tobenden Haufen grobschlächtiger Kreuzfahrer.
    Was sind das nur für Menschen , denkt Ben entsetzt. Sie sind hier im Zeichen des Kreuzes. Ist es ihr Gott, der von ihnen verlangt, Andersgläubige zu entwürdigen?
    Die rot-gelben Vorhänge des Zeltes klappen zur Seite. Sofort tritt Ruhe ein. Der Edelmann erscheint und geht auf Achmed zu. Zwei Meter vor ihm bleibt er stehen. Der Rotgesichtige reicht ihm den Seldschukendolch. Der Edle betrachtet ihn eingehend.
    „Kilidsch Arslan“, liest er laut.
    Erstaunt lässt er den Dolch sinken und fragt Achmed in gut verständlichem Arabisch: „Kilidsch Arslan – das ist doch dein Sultan, den wir geschlagen haben?“
    Die Stille der Nacht trägt das leise Gesprochene weit. Ben versteht jedes Wort. Seine Aufregung legt sich etwas: Ein gebildeter Mensch, der arabisch spricht, wird Achmed nichts tun. Sicher wird er gleich befehlen, ihn wieder anzukleiden.
    Ben hört, wie sein Freund störrisch sagt: „Er ist nicht mein Sultan, er ist ein Seldschuk.“
    „Und du bist Araber, nicht wahr? Ihr hasst die Seldschuken.“
    Achmed schweigt. Der Edelmann lächelt. Dass sein Gegenüber nackt ist, scheint er zu übersehen.
    „Ich weiß, dass ihr sie hasst. Und sie hassen euch. Und wir …“, er macht eine genüssliche Pause, „… sind die lachenden Dritten.“
    Er hebt den Dolch, dreht ihn im Licht des Feuers.
    „Wo hast du ihn eigentlich her? Ein verhasster Seldschuk wird ihn dir nicht gegeben haben …“
    Achmed antwortet unwillig. „Kreuzfahrer haben ihn meinem Vater geschenkt.“
    „Kreuzfahrer?“, fragt der Edle erstaunt.
    „Mein Vater gehörte zu einer Gesandtschaft …“
    „Richtig, ich hörte davon. Ihr Araber wolltet uns im Kampf gegen die Seldschuken helfen. Köstlich!“ Der Edle lacht.
    Auch aus den Reihen seiner Männer ist ein Glucksen zu hören. Sie verfolgen lauernd das Gespräch. Ben hat den Eindruck, sie warten auf etwas ganz Bestimmtes.
    „Nun haben wir es ja wiederbekommen, das gute Stück“, sagt der Edle, während er mit dem Dolch an Achmed herantritt. Er durchtrennt dessen Fesseln und steckt die wertvolle Waffe hinter seinen Gürtel.
    Achmed hebt rasch den Fetzen auf, der einmal seine Hose gewesen ist, und bindet ihn um seine Lenden.
    Der Edle lässt es geschehen und sagt fast beiläufig: „Und

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