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Katharsia (German Edition)

Katharsia (German Edition)

Titel: Katharsia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Magister
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Jerusalem werden wir auch bald haben.“
    „Jerusalem bekommt ihr nicht“, stößt Achmed trotzig hervor.
    Sein Gegenüber bleibt gelassen. „Was macht dich da so sicher, Junge?“
    „Unsere Mauern sind stark und …“ Achmed zögert.
    „Und?“ Der Edle hebt erwartungsvoll die Brauen.
    „Eure Leute sind geschwächt vor Hunger. Wir haben sie eben an der Mauer entlangziehen sehen.“
    „Gut beobachtet, Junge! Diese Narren sind bald am Ende. Leider besteht unser Heer überwiegend aus solchen Narren, die Gottes Gaben verschmähen.“
    Er schnipst mit den Fingern. Der Nacktbrüstige vom Kessel bringt einen Napf voller Suppe.
    „Hier, iss etwas und sage, was schlecht daran ist!“
    Achmed nimmt etwas Suppe auf den Löffel, riecht skeptisch daran. Die Kreuzfahrer beobachten ihn stumm. Ben könnte schwören, sie halten den Atem an. Nach einigem Zögern steckt Achmed den Löffel in den Mund.
    „Nun? Wie ist es?“, fragt der Edle freundlich.
    „Könnte würziger sein“, antwortet Achmed kauend.
    „Da muss ich dir Recht geben. Leider musste ich meinen Koch in der Heimat zurücklassen. Und dieser Tölpel hier ist … nun ja … nicht gerade einfallsreich. Immer nur Suppe …“
    Der Edle geht zu den beiden Lanzenpyramiden, zwischen denen ein Haufen Brennholz liegt. Erst jetzt nimmt Ben den Spieß wahr, der quer über den Spitzen der Pyramiden liegt, sie miteinander verbindet. Der rot-gelb Betuchte nimmt den Spieß herunter, zeigt ihn Achmed und sagt wehmütig: „Lang schon ist es her, dass dieser Spieß geröstetes Fleisch gesehen hat. Dabei ist es viel schmackhafter.“
    Mit betonter Lässigkeit stützt er sich auf den Spieß und fragt: „Weißt du, was du da eben gegessen hast?“
    Achmed schüttelt den Kopf. „Keine Ahnung … Vielleicht Lamm?“
    „Wo, zum Teufel, sollten wir hier Lamm herkriegen, Junge? Denk nach, welches Fleisch fällt im Kriege im Überfluss an?“
    Als Ben auf seinem Beobachtungsposten endlich die Wahrheit begreift, stockt ihm das Blut in den Adern. Er hört ein würgendes Geräusch. Achmed hockt am Boden und übergibt sich. Er windet sich in Krämpfen, begleitet vom schallenden Gelächter der Kreuzfahrer. Eine lodernde Fackel fliegt durch die Luft, landet auf dem Holzhaufen. Brennende Scheite knacken.
    Was haben sie vor , fragt sich Ben. Wozu dieses Feuer?
    Wie zur Antwort hebt der Edle den Spieß, die Spitze auf Achmed gerichtet, der, noch ganz mit sich selbst beschäftigt, nicht bemerkt, welches Schicksal ihm zugedacht ist.
    Ben packt das Grauen. Er will die Augen schließen, doch es gelingt ihm nicht. Überdeutlich brennen sich ihm die Bilder ein: der Rotgesichtige, der Achmed bei den Haaren packt und seinen Kopf brutal nach hinten reißt, der Nacktbrüstige, dessen zangenstarke Hand seine Kiefer auseinanderpresst, Achmeds aufgesperrter Mund, der noch gellend schreit, dann der elegante Edelmann, der mit erhobenem Spieß gemessen an sein Opfer heranschreitet und die Spitze sanft in dessen Mund einführt, bis das Schreien in einem Röcheln erstickt.
    Ben dreht sich der Magen um. Ihm wird speiübel. Doch seine Augen schauen hin. Es ist wie ein Zwang. Er sieht das wilde Zucken der Glieder seines Freundes, während ihm der Mörder den Spieß langsam durch Hals, Brust und Gedärm schiebt, bis er am After wieder erscheint. Ben schaut zu, wie der feinsinnige Mann die blutige Spitze in den Boden rammt, sodass der erschlaffte Körper seines Freundes aufrecht hocken bleibt, eine groteske Statue, deren gepfählter Rachen eine Fontäne aus Blut in den Himmel schickt wie einen Schrei.
    Ben rennt. Er hat es geschafft, sich wegzudrehen. Nun rennt er. Er rennt, ohne auf seine Deckung zu achten. Nur weg von diesem Grauen, zurück hinter die schützenden Mauern der Stadt! Doch so schnell er auch läuft, die Bilder verfolgen ihn, holen ihn ein, erstehen immer wieder vor ihm in der Dunkelheit. Er will sie verjagen, presst die Hände an den Kopf, reibt sich die Augen. Er stolpert, fällt in stinkenden Kot. Es ist ihm egal, wenn nur endlich diese Bilder aufhören. Er rappelt sich auf, läuft weiter, vorbei an Hunderten von wankenden Gestalten, Kreuzfahrern, die sich bei Fackelschein sammeln zum Sturm auf Jerusalem, hohlwangige Skelette, die ihm verwundert nachschauen wie einem Geist. Sie halten ihn nicht auf und täten sie es, es wäre ihm gleich. Diese Bilder, diese Bilder müssen weg, sie sind das Schlimmste. Da vorn ist die Stadtmauer, bereits im Dämmerlicht. Jetzt nach links! Bald muss er beim

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