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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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Aber ich versuchte meinem Schicksal zu entgehen, indem ich vor ihm floh. Ich wollte nicht, daß jemand meine Hand betrachtete und mir die Zukunft voraussagte. Ich hatte im Hier und Jetzt bereits genug Schwierigkeiten. An Silvester 1972 wußte ich, ich hatte mein Leben völlig verpfuscht. Und ich war erst dreiundzwanzig! Ich fuhr nicht zu der Wahrsagerin, sondern zum Rechenzentrum im obersten Stock des PanAm-Hochhauses in Midtown Manhattan. Hier befand ich mich der Zukunft sehr nahe, und an Silvester, abends um zehn, war ich dort so einsam und verlassen wie auf einem Berggipfel. Ich kam mir auch vor wie auf einem Berggipfel. Schnee wirbelte vor den Glasscheiben über der Park Avenue. Die großen, anmutigen Flocken schwebten in unbestimmbaren Formen langsam durch die Luft. Ich hatte das Gefühl, in einem dieser gläsernen Papierbeschwerer zu sitzen, in denen eine wundervolle Rose eingeschlossen ist oder das winzige Modell eines Schweizer Dorfes. Aber hinter den Glaswänden des Pan-Am-Rechenzentrums standen einige Kilometer glänzender Hardware. Die Rechner summten leise, während sie die Flugrouten und den Ticketverkauf auf der ganzen Welt steuerten. Es war ein geeigneter und ruhiger Platz, um sich zurückzuziehen und nachzudenken. Ich mußte über vieles nachdenken. Vor drei Jahren war ich nach New York gekommen, um für Triple-M, einen der größten Computerhersteller der Welt, zu arbeiten. Damals gehörte die Pan Am zu meinen Kunden. Deshalb durfte ich das Rechenzentrum immer noch benutzen.
    Aber jetzt hatte ich die Stellung gewechselt. Und das mochte sich sehr wohl als der größte Fehler meines Lebens herausstellen. Mir war die zweifelhafte Ehre zuteil geworden, als erste Frau von der ehrwürdigen Firma Fulbright, Cone, Kane & Upham eingestellt zu werden. Und dieser Firma gefiel mein Stil nicht.
    Fulbright, Cone, Kane & Upham gehört zu den acht größten staatlich vereidigten Wirtschaftsprüfern der Welt, deren Bruderschaft man paßenderweise „Die Großen Acht“ nennt.
    „Wirtschaftsprüfer" ist die etwas höflichere Bezeichnung für „Buchprüfer“. „Die Großen Acht“ übernehmen diese gefürchtete Aufgabe für die meisten großen Unternehmen. Man bringt ihnen natürlich sehr viel Respekt entgegen. Das ist eine höfliche Umschreibung der Tatsache, daß sie ihre Kunden wie Marionetten tanzen lassen. Wenn eine der „Großen Acht“ bei einer Buchprüfung ihrem Klienten rät, eine halbe Million Dollar zu investieren, um Gewinne und Verluste in ein günstigeres Verhältnis zu bringen, dann wäre der Klient verrückt, auf diesen Vorschlag nicht einzugehen.(Oder zu vergessen, daß sein Wirtschaftsprüfungsunternehmen die Investition - gegen ein entsprechendes Honorar - für ihn übernimmt.) In der Welt der Hochfinanz gelten solche Dinge als selbstverständlich. Bei den staatlich vereidigten Wirtschaftsprüfern geht es immer, auch in persönlichen Dingen, um viel Geld. Selbst ein Juniorpartner kann mit einem sechsstelligen Einkommen rechnen.
    Vielen Leuten dürfte nicht bewußt sein, daß das Gebiet der Wirtschaftsprüfer ausschließlich eine Domäne der Männer ist; bei Fulbright, Cone, Kane &: Upham wußte man das sehr wohl, und ich befand mich dadurch in einer Zwickmühle. Diese Männer hatten es zum ersten Mal mit einer Frau zu tun, die keine Sekretärin war, und behandelten mich entsprechend - das heißt, ich galt als eine potentielle Gefahr, die man nicht aus dem Auge verlieren durfte. Wo immer man auch die erste Frau sein mag, es ist kein Honiglecken. Sei man nun die erste Astronautin oder die erste Frau, die eine chinesische Wäscherei betreten darf, man muß sich an die Witzeleien, die abfälligen Bemerkungen und an die unvermeidlichen Annäherungsversuche gewöhnen. Man muß sich auch damit abfinden, daß man mehr arbeitet als alle anderen und weniger Gehalt bekommt. Ich hatte inzwischen gelernt, amüsiert zu lächeln, wenn man mich als "Miss Velis, unsere Expertin auf diesem Gebiet“ vorstellte. Bei der entsprechenden Betonung hatten die Leute vermutlich den Eindruck, ich sei Gynäkologin. Ich war Computerexpertin und in New York die beste Spezialistin im Bereich Transportindustrie. Aus diesem Grund hatte man mich eingestellt. Als die Partner von Fulbright Cone mich in Augenschein nahmen, standen ihnen sofort die mit mir zu verdienenden Dollars vor Augen. Sie sahen keine Frau, sondern ein wandelndes Paket bombensicherer Wertpapiere. Ich war jung genug, um beeindruckt zu sein, naiv genug, mich

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