Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
können ihnen nur Beamte der amerikanischen Regierung stellen. Und deren Fragen drehen sich, wenn sie gestellt werden, nur um illegale oder betrügerische Praktiken. Aha“, sagte Jock, „nun gut, ich möchte Sie nicht weiter bei Ihrer Arbeit stören, Velis. Wie es aussieht, werde ich diese Entscheidung selbst treffen müssen.“ Er drehte sich um und verließ mein Büro.
Mein Vorgesetzter, ein dicklicher blonder Mann Anfang Dreißig mit Namen Lisle Holmgren, kam gleich am nächsten Morgen zu mir. Lisle war aufgeregt. Er war rot im Gesicht, und der Schlips saß schief.
„Katherine, was um Himmels willen haben Sie mit Jock Upham angestellt?“ stieß er atemlos hervor. „Er schäumt vor Wut und hat mich heute in aller Herrgottsfrühe angerufen. Ich hatte kaum Zeit zum Rasieren. Der Chef erklärt, er möchte Sie in eine Zwangsjacke stecken, da Sie offenbar den Verstand verloren haben. Er möchte, daß Sie in Zukunft keinen Kontakt mehr mit Klienten haben. Er meint, Sie seien noch nicht reif genug, um mit erwachsenen Männern an einem Tisch zu sitzen.“
Lisles Leben kreiste nur um die Firma. Er hatte eine anspruchsvolle Frau, die Erfolg an Anzahl und Höhe der Clubbeiträge maß. Lisle mißbilligte vielleicht das Vorgehen seines Chefs, aber er würde nie aus der Reihe tanzen.
„Ich glaube, ich habe gestern abend den Kopf verloren“, erwiderte ich sarkastisch. „Ich habe es abgelehnt, die Auswahlkriterien zu ändern. Ich habe ihm gesagt, er könnte das Projekt einem anderen übertragen, wenn er das von mir verlangt.“
Lisle sank auf einen Stuhl neben mir. Er schwieg verblüfft, dann sagte er leise: „Katherine, in der Geschäftswelt gibt es viele Dinge, die auf jemanden in Ihrem Alter unmoralisch wirken. Aber diese Dinge sind nicht unbedingt so unmoralisch, wie sie aussehen.“
„In diesem Fall ist es unmoralisch.“
„Ich gebe Ihnen mein Wort, wenn Jock Upham Sie auffordert, so etwas zu tun, dann hat er seine Grunde.“
„Das bezweifle ich nicht. Ich vermute, er hat ein Dutzend guter Grunde“, erwiderte ich und machte mich wieder an meine Unterlagen.
„Das ist Selbstmord! Ist Ihnen das klar?“ beschwor er mich. „Man kann einen Jock Upham nicht ungestraft reizen. Er wird das Ganze nicht auf sich beruhen lassen. Er wird Sie ausradieren, Sie abschießen. Wenn Sie meinen Rat wollen - gehen Sie auf der Stelle in sein Büro und entschuldigen sich. Sagen Sie, Sie tun alles, was er will, und besänftigen Sie ihn. Wenn Sie das nicht tun, dann kann ich Ihnen schon jetzt das Ende Ihrer Karriere prophezeien.“
„Er kann mir nicht kündigen, weil ich es ablehne, etwas Illegales zu tun“, erwiderte ich.
„Er wird Ihnen nicht kündigen. Er hat die Macht, Ihnen das Leben zur Hölle zu machen, und Sie werden sich bald wünschen, diese Firma nie kennengelernt zu haben. Sie sind nett, Katherine, und ich mag Sie. Ich habe Sie gewarnt. Ich gehe jetzt. Sie können Ihre Grabrede selbst schreiben.“
Das war vor einer Woche gewesen. Ich hatte mich nicht bei Jock entschuldigt. Über unser Gespräch hatte ich mit keinem Menschen gesprochen. Und ich übergab rechtzeitig einen Tag vor Weihnachten dem Klienten unsere Empfehlung für die Angebote. Von da an herrschte eine große Stille in der ehrbaren Firma Fulbright, Cone, Kane & Upham - das heißt, bis zu diesem Morgen.
Die Partner benötigten genau sieben Tage, um die Strafe zu bestimmen, die sie mir zugedacht hatten. Am Vormittag erschien Lisle mit der frohen Botschaft in meinem Büro.
„Nun ja“, erklärte er, „Sie können nicht sagen, ich hätte Sie nicht gewarnt. Das ist das Problem mit Frauen. Sie wollen keine Vernunft annehmen.“
„Wissen Sie, wie man vernünftiges Vorgehen in Übereinstimmung mit den Fakten bezeichnet?“ fragte ich. „Man nennt es rationales Handeln.“
„Dort, wo Sie hingehen, haben Sie viel Zeit für rationales Handeln“, sagte er. „Die Partner haben sich heute in aller Frühe bei Kaffee und Hörnchen zusammengesetzt und über Ihr Schicksal abgestimmt. Es gab ebenso viele Stimmen für Kalkutta wie für Algier. Aber Sie werden sich freuen zu hören, daß die Entscheidung für Algier gefallen ist. Meine Stimme hat den Ausschlag gegeben. Ich hoffe, Sie sind mir dafür dankbar.“
„Was sagen Sie da?“ rief ich und bekam ein flaues Gefühl im Magen. „Wo zum Teufel liegt Algier? Was hat Algier mit mir zu tun?“
„Algier ist die Hauptstadt von Algerien. Algerien ist ein sozialistisches Land an der nordafrikanischen Küste, ein Land
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