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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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Gruppe von Mauren in Korsika.
Im Islam gibt es beinahe ebensoviel Sekten wie im Christentum“, fuhr sie bitter lächelnd fort. „Schon kurz nach Mohammeds Tod begannen Glaubenskriege innerhalb seiner Familie, die zur Zersplitterung führten. Die Sekte, die sich in Korsika niederließ, gehörte zu den Schiiten, Mystikern, die eine Geheimlehre vertraten, die auch einen kommenden Erlöser verhieß. Sie sind die Gründer eines mystischen Kults mit einer Loge, geheimen Einweihungsritualen und einem Großmeister - die Rituale der Freimaurer lehnen sich daran an. Die Schiiten unterwarfen Karthago und Tripolis und gründeten dort mächtige Dynastien.
Ich erzähle das alles“, erklärte die Äbtissin, „weil diese grausame und skrupellose, politisch motivierte Schiitensekte, die in Korsika landete, um das Montglane-Schachspiel wußte. Ihre Anhänger hatten die alten Schriften der Ägypter, Babylonier und Sumerer studiert, in denen von geheimnisvollen Mysterien die Rede ist. Und sie glaubten, das Schachspiel enthalte den Schlüssel dazu. Deshalb wollten sie es in ihre Hände bekommen.
In den kommenden kriegerischen Jahrhunderten schlugen die Versuche der Geheimsekte, das Versteck des Schachspiels ausfindig zu machen, immer wieder fehl. Schließlich wurden die Mauren aus ihren Festungen in Italien und Spanien vertrieben. Aufgespalten in viele Parteien, waren sie seitdem keine große geschichtliche Kraft mehr.“
Während der Erzählung der Äbtissin verhielt sich meine Mutter ungewöhnlich still. Normalerweise war sie geradeheraus und offen, aber jetzt wirkte sie zurückhaltend und verschlossen. Fesch und mir fiel das auf, und er sagte, vermutlich, um sie zum Reden zu bringen:
„Meine Familie und ich haben Ihrer Geschichte wie gebannt zugehört. Aber es ist wohl nur natürlich, daß wir uns fragen, welchem Geheimnis Monsieur Rousseau hier auf der Spur ist - und weshalb Sie uns als Vertraute gewählt haben, um seine Bemühungen zu vereiteln.“
„Rousseau ist zwar zu krank, um zu reisen“, erwiderte die Äbtissin, „aber er wird bestimmt seinen Spitzel beauftragen, auch einen Schweizer aufzusuchen, der hier wohnt. Und was das Geheimnis anbelangt - vielleicht kann Ihre Frau Angela-Maria uns mehr darüber sagen. Die Wurzeln ihrer Familie reichen sehr weit zurück; wenn ich mich nicht irre, lebten ihre Vorfahren schon vor den Mauren auf Korsika...“
Blitzartig wußte ich, weshalb die Äbtissin gekommen war! Das gütige, zarte Gesicht meiner Mutter wurde dunkelrot, als sie zuerst Fesch und dann mir einen kurzen Blick zuwarf. Sie bewegte die Hände unruhig im Schoß und wußte nicht ein noch aus.
„Ich möchte Sie nicht bedrängen, Madame Fesch“, sagte die Äbtissin ruhig, „aber ich hatte gehofft, das korsische Ehrgefühl verlange, daß Sie meine Hilfe mit einer Gunst erwidern. Ich gestehe, ich habe Sie in diese Lage gebracht, indem ich unaufgefordert meine Dienste anbot. Aber ich hoffe doch, daß mein Einsatz nicht umsonst gewesen ist.“ Fesch war verwirrt, aber ich wußte, worum es ging. Ich war Korsin und kannte die Legenden der Familie meiner Mutter, der Pietra-Santas, die seit Urzeiten auf dieser Insel gelebt hatten.
„Mutter“, sagte ich, „es sind doch nur Mythen, wie du mir gegenüber immer betont hast. Warum willst du sie nicht Madame de Roque erzählen, nachdem sie soviel für uns getan hat?“ Fesch legte seine Hand auf die Hand meiner Mutter und drückte sie als Zeichen seiner Zustimmung.
„Madame de Roque“, begann meine Mutter mit zitternder Stimme, „ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet, und wir sind Leute, die erwiesene Hilfe anerkennen. Aber Ihre Geschichte macht mir Angst. Der Aberglaube liegt uns im Blut. Die meisten Familien auf dieser Insel stammen von den Etruskern, den Lombarden oder den Sizilianern ab, aber meine Vorfahren waren die ersten Siedler. Wir gehören zu den Phöniziern, einem uralten Volk, das von der östlichen Mittelmeerküste kommt. Wir haben Korsika eintausendsechshundert Jahre vor Christi Geburt besiedelt.“
Die Äbtissin nickte langsam, während meine Mutter weitersprach.
„Die Phönizier waren Kaufleute, Händler, und man nannte sie in alter Zeit ‘das Seevolk’. Die Griechen nannten sie Phoinikes, das bedeutet ‘blutrot’. Vielleicht läßt sich der Name darauf zurückführen, daß sie mit Hilfe von Schnecken Stoffe dunkelrot färbten; vielleicht besteht aber auch ein Zusammenhang mit dem legendären Feuervogel oder der Palme, denn beide nennt man Phoinix: ‘rot wie

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