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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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dir vorstellen, wie Harry sich darüber freut“, bemerkte Blanche zynisch lächelnd. Aber Harry sprach unbeeindruckt weiter: „Sie hat gesagt, im Spiel des Lebens sind die Bauern das Herz, und ein Bauer kann alles ändern, wenn eine andere Frau einspringt. Ich glaube, damit hat sie dich gemeint -“
„Sie hat gesagt: „Die Bauern sind die Seele des Schachs.“, unterbrach ihn Blanche, „ich glaube, das ist ein Zitat...“
„Wieso weißt du das noch so genau?“ wollte Harry wissen. „Weil Llew ihre Worte auf die Serviette geschrieben hat“, erwiderte Blanche und las vor: „'Im Spiel des Lebens sind die Bauern die Seele des Schachs. Auch ein niedriger Bauer kann ein anderes Gewand anziehen. Jemand, den Sie lieben, wird das Schicksal wenden. Die Frau, die sie in den Schoß der Familie zurückbringt, wird die Fesseln lösen und das prophezeite
Ende herbeiführen.'„ Blanche legte die Serviette auf den Tisch und trank einen Schluck Champagner, ohne uns anzusehen. „Bitte!“ rief Harry glücklich. „Ich interpretiere das so, daß du, Kat, irgendwie ein Wunder bewirkst - dir wird es gelingen, daß Lily mit dem Schachspielen aufhört und endlich ein normales Leben führt.“
„An deiner Stelle wäre ich etwas realistischer“, sagte Blanche kühl. In diesem Augenblick erschien Llewellyn mit der Wahrsagerin. Harry stand auf und räumte den Platz neben mir. Als ich die Frau sah, dachte ich, man erlaube sich einen Spaß mit mir. Die Wahrsagerin war schlichtweg grotesk und sah aus wie eine Vogelscheuche. Sie hatte einen Buckel und eine übertrieben hochgesteckte Frisur wie bei einer Karnevalperücke. Auf ihrer spitzen Nase saß eine straßbesetzte Fledermausflügelbrille, die sie an einem Band aus aneinandergeknoteten farbigen Gummiringen, wie Kinder sie manchmal machen, um den Hals befestigt trug. Sie trug einen mit Gänseblümchen bestickten rosa Pullover, eine schlechtsitzende grüne Hose und leuchtendrosa Bowlingschuhe mit dem aufgesteppten Namen „Mimst“. In der Hand hielt sie ein Klemmbrett, auf das sie hin und wieder einen Blick warf, als führe sie Buch über Treffer und Volltreffer. Außerdem kaute sie Kaugummi. Wenn sie den Mund öffnete, hüllte mich süßlicher Kaugummigeruch ein.
„Das ist Ihre Freundin?“ fragte sie mit krächzender Stimme. Harry nickte und gab ihr ein paar Geldscheine, die sie auf das Klemmbrett steckte; den Betrag notierte sie auf dem Blatt. Dann setzte sie sich neben mich. Harry nahm gegenüber Platz. Sie sah mich an. „Also, Kleines“, sagte Harry, „du mußt nur nicken, wenn sie recht hat. Vielleicht bringst du sie durcheinander, wenn -“
„Wer soll hier die Zukunft voraussagen?“ unterbrach die alte Frau ärgerlich und musterte mich unverwandt durch die glitzernde Brille. Sie schwieg lange und schien es nicht eilig zu haben, mir die Zukunft zu sagen. Nach einer Weile wurden alle unruhig. „Müßten Sie die Zukunft nicht in meiner Hand lesen?“ fragte ich. „Du darfst nichts sagen!“ riefen Harry und Llewellyn wie aus einem Mund. „Ruhe!“ fauchte die Wahrsagerin. „Das ist ein schwieriger Fall. Ich versuche, mich zu konzentrieren.“ Sie konzentriert sich wirklich, dachte ich. Seit sie neben mir sitzt, starrt sie mich unverwandt an. Ich warf einen Blick auf Harrys Armbanduhr. Es war sieben Minuten vor Mitternacht. Die Wahrsagerin rührte sich nicht. Sie schien sich in Stein verwandelt zu haben. Der Lärmpegel im Raum stieg, als Mitternacht heranrückte. Die Stimmen klangen heiser. Die Gäste drehten die Champagnerflaschen geräuschvoll im Eis der Kühler, zündeten die ersten Heuler an, warfen Luftschlangen und Konfetti. Draußen entlud sich die Spannung des alten Jahres in der Explosion von Knallfröschen und Feuerwerkskörpern. Ich wußte wieder, weshalb ich an Silvester immer zu Hause blieb. Die Wahrsagerin schien alles um sich herum vergessen zu haben. Sie saß da und starrte mich an. Ich drehte den Kopf zur Seite. Harry und Llewellyn beugten sich mit angehaltenem Atem vor. Blanche hatte sich zurückgelehnt und betrachtete ruhig und aufmerksam das Profil der Wahrsagerin. Als ich die alte Frau wieder ansah, hatte sie sich nicht bewegt. Sie schien in eine Trance gefallen zu sein und sah durch mich hindurch. Dann richteten sich ihre Augen langsam auf mich. Dabei spürte ich denselben kalten Luftzug wie vorher. Nur schien er diesmal durch mich hindurchzugehen. „Schweigen Sie“, flüsterte die Wahrsagerin

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