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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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Avenue Hotel“, erwiderte Saul und schloß den Wagenschlag. Dann ging er zum Fahrersitz. Er startete den Motor, und wir rollten durch den Schnee.
Am Silvesterabend sind die Hauptstraßen in New York ebenso belebt wie am hellichten Tag. Die Kette der Taxis und großen Limousinen reißt nicht ab, und zahllose Voll- und Angetrunkene bevölkern die Gehwege auf der Suche nach der nächsten Bar. Die Straßen sind mit Papierschlangen und Konfetti übersät. Eine allgemeine Ausgelassenheit liegt in der Luft.
Wir fuhren schweigend zur unteren Fifth Avenue.
„Wie ich höre, ist Lily nicht erschienen“, bemerkte ich schließlich.
„Ja, richtig“, sagte Saul.
„Ich habe Harry zuliebe aufgehört zu arbeiten. Was kann ihr denn so wichtig sein, daß sie nicht ein paar Stunden zum Jahresende mit ihrem Vater verbringt?“
„Sie wissen doch, was sie macht“, sagte Saul und hielt vor dem Fifth Avenue Hotel. Vielleicht war es Einbildung, aber ich glaube, seine Stimme klang bitter. „Sie macht das, was sie immer macht: Sie spielt Schach.“
    Das Fifth Avenue Hotel liegt auf der Westseite und ein paar Querstraßen oberhalb des Washington Square Park. 1972 hatte man die Bar des Hotels noch nicht restauriert. Wie viele New Yorker Hotelbars war sie die authentische Kopie eines ländlichen Gasthauses aus der Tudorzeit. Man hatte das Gefühl, eigentlich müsse man draußen ein Pferd anbinden, anstatt aus einer Limousine zu steigen. Facettierte Buntglasscheiben schmückten die breiten Fenster zur Straße. Die lodernden Flammen im großen, offenen Kamin ließen die Gesichter der Gäste leuchten und warfen durch das rubinrote Buntglas einen dunkelroten Schein auf den glitzernden Schnee.
    Harry hatte sich einen runden Tisch am Fenster reservieren lassen. Als wir vorfuhren, winkte er uns zu. Llewellyn und Blanche saßen auf der anderen Seite mehr im Hintergrund und tuschelten miteinander wie zwei blonde Botticelli-Engel.
    Eine Bilderbuchszene, dachte ich, als Saul mir beim Aussteigen half. Das prasselnde Kaminfeuer, die überfüllte Bar, in der sich die Gäste in eleganter Abendkleidung amüsierten - ein unwirklicher Anblick. Ich stand im hohen Schnee auf dem Gehweg, betrachtete im Schein der Straßenlampen die tanzenden Schneeflocken und sah Saul nach, der langsam davon rollte. Im nächsten Augenblick eilte Harry auf die Straße, als fürchte er, ich werde wie eine Schneeflocke schmelzen und verschwinden.
    „Kleines!“ rief er und nahm mich in seine mächtigen Arme, als wolle er mich zerquetschen. Harry war ein Riese. Er war beinahe zwei Meter groß, und es wäre geschmeichelt zu behaupten, er habe Übergewicht. Harry war ein Fleischberg mit dicken Tränensäcken und Hängebacken und sah aus wie ein Bernhardiner. Er trug eine abscheulich geschmacklose rot, grün und schwarz karierte Jacke, in der er noch riesiger zu sein schien.
    „Ich bin ja so froh, daß du gekommen bist“, sagte er und nahm meinen Arm. Er führte mich durch die Halle, hielt die massiven Doppeltüren zur Bar auf und dirigierte mich zu dem Tisch, an dem Llewellyn und seine Frau Blanche saßen.
    „Unsere liebe, liebe Kat“, rief Llewellyn, stand auf und drückte mir einen Kuß auf die Wange. „Blanche und ich haben uns gerade gefragt, ob du überhaupt noch kommen wirst, nicht wahr?“ Er warf Blanche einen vielsagenden Blick zu. „Wirklich, Kleines“, fuhr er fort, „es kostet dich wohl unsägliche Überwindung, dich von deinem Computer loszureißen. Ich frage mich oft, was ihr beiden, du und Harry, tun würdet, wenn ihr nicht Tag für Tag ins Büro müßtet.“
    „Tag, Kleines“, sagte Blanche und streckte mir ihre kühle Porzellanwange zum Kuß entgegen. „Du siehst wie immer bezaubernd aus. Setz dich. Was soll Harry dir zu trinken holen?“
    „Ich bringe ihr einen Eierflip“, rief Harry strahlend wie ein Weihnachtsbaum. „Der Eierflip hier ist hinreißend. Du trinkst erst ein Glas Eierflip, und dann kannst du haben, was du willst.“ Er warf sich wieder ins Gewühl und bahnte sich, alle Anwesenden überragend, den Weg zur Bar.
    „Wie Harry erzählt, fährst du demnächst nach Europa?“ fragte Llewellyn, setzte sich neben mich und ließ sich von Blanche das Glas reichen. Sie waren aufeinander abgestimmt gekleidet. Sie trug ein dunkelgrünes Kleid, das ihre helle Haut betonte, und er ein dunkelgrünes Samtjackett mit schwarzer Schleife. Sie waren beide Mitte Vierzig, wirkten aber auffallend jugendlich.
    „Nicht nach Europa“, erwiderte ich, „nach

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