Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
Küsse, meine Händen glitten über seinen Körper, wo das Tuch sich gelöst hatte.
„Diesmal“, flüsterte er, „werden wir kein Kind machen - aber ich werde dich dazu bringen, daß du mich liebst, und sollte es auch das letzte sein, was ich tue.“
Maurice war außer sich vor Glückseligkeit, als er zum ersten Mal seine Kinder sah. Wir trafen uns um Mitternacht im Badehaus. Schahin wachte an der Tür.
Der inzwischen zehnjährige Charlot wirkte mit seinen schulterlangen roten Haaren und den leuchtend blauen Augen, die durch Zeit und Raum hindurchzublicken schienen, bereits wie der Prophet, den Schahin vorausgesagt hatte. Die vierjährige Charlotte glich Valentine als Mädchen. Talleyrand fühlte sich in ihrem Bann, während wir in dem heißen, dampfenden Thermalwasser saßen.
„Ich möchte die Kinder bei mir haben“, sagte Talleyrand schließlich und streichelte immer wieder Charlottes blonde Haare. „Das Leben, auf dem du bestehst, ist kein Leben für ein Kind. Niemand muß etwas von unserer Beziehung erfahren. Mir gehört inzwischen Valencay. Die beiden werden einen Adelstitel und Landbesitz bekommen. Wir können ihre Herkunft geheimhalten. Nur wenn du damit einverstanden bist, bekommst du die Figuren von mir.“
Ich wußte, er hatte recht. Was für eine Mutter konnte ich sein, wenn mein Leben von Mächten beherrscht wurde, die sich meiner Kontrolle entzogen? Ich las in seinen Augen, daß er die Kinder von Herzen liebte. Aber es gab eine Schwierigkeit.
„Charlot kannst du nicht haben., sagte ich zu ihm, „er wurde unter den Augen der Göttin geboren - er wird wie prophezeit das Rätsel lösen.“ Charlot kam durch das heiße Wasser zu Talleyrand und legte die Hand auf den Arm seines Vaters.
„Du wirst ein großer Mann sein“, sagte er, „ein Fürst mit viel Macht. Du wirst lange leben, aber außer uns wirst du keine Kinder haben. Du mußt meine Schwester Charlotte zu dir nehmen - verheirate sie in deine Familie, damit ihre Kinder wieder mit unserem Blut verbunden sind. Aber ich muß in die Wüste zurück. Dort wartet mein Schicksal.“
Talleyrand sah den kleinen Jungen staunend an, aber Charlot sprach weiter.
„Du mußt deine Verbindung zu Napoleon lösen, denn sein Sturz ist unvermeidlich. Wenn du das tust, wird deine Macht viele Veränderungen in der Welt überdauern. Aber du mußt noch etwas für das Spiel tun: Hole die schwarze Dame von Alexander, dem Zaren von Rußland. Sag ihm, du kommst von mir. Mit den sieben Figuren, die du hast, werden es dann acht sein.“
„Alexander?“ fragte Talleyrand und sah mich durch den Wasserdampf hinweg an. „Hat er auch eine Figur? Aber warum sollte er sie mir geben?“
„Du gibst ihm dafür Napoleon“, erwiderte Charlot.
Talleyrand begegnete Alexander auf dem Fürstentag zu Erfurt. Niemand weiß, welchen Pakt sie schlossen, doch es kam alles so, wie Charlot vorausgesagt hatte. Napoleon wurde abgesetzt, kehrte aus der Verbannung zurück und wurde endgültig vernichtet. Am Ende erkannte er, daß Talleyrand ihn verraten hatte. „Monsieur“, sagte er eines Morgens beim Frühstück in Anwesenheit des ganzen Hofs, „Sie sind nichts als Scheiße in Seide.“ Aber Talleyrand besaß bereits die schwarze Dame. Und außerdem erhielt ich von ihm etwas sehr Wertvolles: die Springer-Tour des Amerikaners Benjamin Franklin, die half, der Formel näherzukommen.
Ich reiste mit Schahin, Charlot und acht Figuren, dem Tuch und der Skizze des Schachbretts nach Grenoble. Dort, im Süden Frankreichs, trafen wir den berühmten Physiker Jean-Baptiste Joseph Fourier, den Charlot und Schahin in Ägypten kennengelernt hatten. Wir besaßen zwar viele Figuren, aber nicht alle. Und es dauerte dreißig Jahre, bis wir die Formel enträtselt hatten. Aber schließlich gelang es uns.
Wir vier standen nachts in Fouriers dunklem Labor und beobachteten, wie sich im Schmelztiegel der Stein der Weisen bildete. Nach dreißig Jahren und vielen Fehlschlägen gelangen uns wie vorgeschrieben die sechzehn Schritte - die Vereinigung des roten Königs mit der weißen Dame. Dieses Geheimnis war der Welt vor tausend Jahren verlorengegangen: Kalzination, Oxidation, Kristallisation, Fixation, Solution, Digestion, Destillation, Evaporation, Sublimation, Separation, Extraktion, Zerotation, Fermentation, Putrefaktion, Propagation - und jetzt Projektion. Wir sahen, wie die flüchtigen Gase in dem Glas sich von den Kristallen lösten, die wie die Sternenkonstellationen des Universums leuchteten. Die Gase
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