Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
Eroberung Persiens im Jahre 640 unserer Zeitrechnung über Persien nach Arabien gekommen ist.
Das Schachbrett aus reinem Silber und Gold maß einen Meter im Quadrat. Die Figuren aus filigran gearbeiteten kostbaren Metallen waren mit ungeschliffenen, aber glatt polierten Rubinen, Saphiren, Diamanten und Smaragden besetzt, von denen einige so groß wie Wachteleier waren. Sie blitzten und funkelten im Schein der Lampen und schienen mit einem inneren Licht zu strahlen, das die Zuschauer hypnotisierte.
Die Figur Schah, der König, war fünfzehn Zentimeter groß und stellte einen gekrönten Mann dar, der auf einem Elefanten ritt. Die Dame, auch Farzin genannt, saß in einer geschlossenen, juwelengeschmückten Sänfte. Die Läufer waren Elefanten, die mit seltenen Perlen besetzte Schabracken trugen; die Springer feurige arabische Hengste. Die Türme oder Rukhkh - das arabische Wort für „Streitwagen“ - waren große Kamele mit turmähnlichen Sesseln auf dem Rücken. Die Pfänder oder Bauern, wie wir sie heute nennen, waren sieben Zentimeter hohe, einfache Krieger mit kleinen Juwelen als Augen und edelsteinbesetzten Schwertgriffen.
Karl der Große und Garin näherten sich dem Schachspiel. Der König hob plötzlich die Hand und sprach Worte, die alle, die ihn kannten, in größtes Erstaunen versetzten.
„Ich schlage eine Wette vor“, erklärte er mit seltsamer Stimme. Der König hielt sonst nichts von Wetten. Die anwesenden Gäste sahen sich verwirrt an.
„Sollte mein Krieger Garin das Spiel gewinnen, vermache ich ihm von meinem Reich alles Land von Aachen bis zu den baskischen Pyrenäen und gebe ihm die Hand meiner ältesten Tochter. Sollte er verlieren, so wird er im Morgengrauen hier an Ort und Stelle enthauptet.“ Der Hof geriet in Bewegung. Alle wußten, der König liebte seine Töchter so sehr, daß er sie gebeten hatte, nicht zu seinen Lebzeiten zu heiraten.
Der beste Freund des Königs, der Herzog von Burgund, legte ihm die Hand auf den Arm und zog ihn beiseite. „Was ist in Euch gefahren?“ fragte er leise. „Ihr habt eine Wette vorgeschlagen, die einem betrunkenen Barbaren angemessen ist!“ Wie in Trance setzte sich Karl der Große an den Tisch, auf dem das Schachspiel stand. Der Herzog schüttelte verwirrt den Kopf. Garin sah erst seinen König und dann den Herzog fragend an, setzte sich aber schließlich wortlos an den Tisch und nahm somit die Wette an. Sie bestimmten mit Hilfe zweier Figuren die Farben; das Glück war auf Garins Seite. Er zog Weiß und hatte damit den Vorteil der Eröffnung. Das Spiel begann. Vielleicht lag es an der spannungsgeladenen Atmosphäre, aber die Zuschauer sahen bald mit Staunen, daß die beiden Spieler ihre Figuren mit geisterhafter Sicherheit und Genauigkeit zogen. Das war kein Spiel mehr. Eine unsichtbare Hand war hier am Werk, und manchmal schienen die Figuren sogar selbständige Bewegungen auszuführen. Die Spieler saßen schweigend und blaß vor dem Brett; die Höflinge umlagerten sie.
Nach etwa einer Stunde fiel dem Herzog von Burgund auf, daß Karl der Große sich merkwürdig benahm. Er runzelte die Stirn, wirkte zunehmend unaufmerksam und abgelenkt. Auch Garin erfaßte eine ungewöhnliche Unruhe. Er bewegte sich schnell und fahrig, und auf seiner Stirn standen Schweißtropfen. Die beiden Männer hielten aber die Augen weiterhin starr auf das Schachbrett gerichtet, als könnten sie den Blick nicht davon wenden.
Plötzlich stieß Karl der Große einen lauten Schrei aus und sprang so heftig auf, daß das Schachbrett rutschte und die Figuren auf den Boden fielen. Die Höflinge wichen entsetzt zurück. Der König fing an zu toben. Ein schwarzer, schrecklicher Zorn erfaßte ihn. Er raufte sich die Haare und schlug sich heftig auf die Brust. Wie ein wildes Tier geriet er in unbändige Raserei. Garin und der Herzog von Burgund sprangen an seine Seite, aber er stieß sie von sich. Sechs Ritter warfen sich auf den König, um ihn zu halten. Als er sich schließlich beruhigte, sah er sich verwirrt um, als sei er aus einem langen, tiefen Schlaf erwacht.
„Mein König“, sagte Garin leise, hob eine der Figuren vom Boden auf und reichte sie Karl dem Großen, „vielleicht sollten wir das Spiel abbrechen. Die Figuren sind alle durcheinander, und ich kann mich an keinen einzigen Zug erinnern. Sire, ich fürchte mich vor diesem maurischen Schachspiel. Ich glaube, es steckt eine böse Macht darin, und sie hat Euch bewegt, um mein Leben zu wetten.“
Karl der Große setzte
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