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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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packte Germaine am Arm und führte sie schnell in den dunklen Eingang des Hotel de Ville.
ELF UHR MORGENS
    David kam außer Atem in der Nationalversammlung an. Der riesige Saal war bis zum Bersten gefüllt mit Männern, die laut aufeinander einschrieen. Der Sprecher stand auf dem Podium und versuchte, sich mit lauter Stimme Gehör zu verschaffen. David bahnte sich einen Weg zu seinem Platz. Er konnte die Worte des Redners kaum verstehen.
    „Am dreiundzwanzigsten August ist die Festung Longwy von den feindlichen Truppen gestürmt worden! Der Herzog von Braunschweig, Kommandant des preußischen Heeres, hat ein Ultimatum gestellt: Er fordert, daß wir den König freilassen und ihm alle königlichen Machtbefugnisse zurückgeben, oder seine Truppen werden Paris dem Erdboden gleichmachen!“
    Der aufbrandende Lärm glich einer Welle, die über dem Redner zusammenschlug und seine Worte verschluckte. Jedesmal, wenn die Welle etwas abflaute, versuchte der Mann weiterzusprechen.
    Die Nationalversammlung konnte ihre ohnehin geringe Macht über Frankreich nur ausüben, solange der König im Gefängnis saß. Aber das Manifest des Herzogs von Braunschweig hatte die Freilassung Ludwigs XVI. verlangt und lieferte den Vorwand für den Einmarsch preußischer Truppen in Frankreich. Unbezahlter Sold und Massendesertion schwächten die Moral der französischen Truppen, und die erst vor kurzem an die Macht gekommene Regierung stand in Gefahr, über Nacht gestürzt zu werden. Hinzu kam, daß jeder Abgeordnete die anderen des Hochverrats und geheimer Abkommen mit dem Feind verdächtigte, der praktisch vor den Toren stand. Das ist, dachte David, als er beobachtete, wie der Sekretär sich um Ordnung bemühte, die Geburtsstunde der Anarchie.
    „Bürger!“ rief der Sekretär. „Ich habe schlimme Nachrichten! Die Festung Verdun ist heute morgen von den Preußen erobert worden! Wir müssen zu den Waffen greifen -“
In der Nationalversammlung brach Hysterie aus. Chaos und Panik erfaßte die Abgeordneten, die wie Ratten in der Falle wild durcheinanderliefen. Verdun war die letzte Bastion zwischen dem Feind und Paris! Die Preußen konnten bereits an diesem Abend vor den Stadttoren stehen.
Die Worte des Sekretärs gingen im allgemeinen Lärm unter. David sah, wie der Mann den Mund öffnete und schloß, hörte aber im Gewirr der Stimmen kein Wort.
Die Nationalversammlung hatte sich in eine aufgewühlte Masse Verrückter verwandelt. Die Jakobiner warfen Papierknäuel und Äpfel auf die Gemäßigten im Parkett. Die Girondisten mit ihren Spitzenmanschetten, die einmal als liberal gegolten hatten, hoben blaß vor Angst die Köpfe. Man wußte, sie waren die republikanischen Royalisten, die die drei Stände unterstützten - den Adel, den Klerus und die Bürgerlichen. Nach der Veröffentlichung des Braunschweiger Ultimatums war ihr Leben sogar hier in der Nationalversammlung in größter Gefahr - und das wußten sie.
Alle, die für die Wiedereinsetzung des Königs eintraten, würden möglicherweise tot sein, noch ehe die Preußen die Stadttore von Paris erreichten.
Der Sekretär trat zur Seite, und Danton betrat das Podium. Danton war der Held der Nationalversammlung. Er hatte einen großen Kopf und einen massigen Körper. Das gebrochene Nasenbein und die entstellte Lippe stammten vom Tritt eines Stiers, den er als Kind überlebt hatte. Er hob die Hand und verlangte Ruhe.
„Bürger! Es ist für den Minister eines freien Staates eine große Genugtuung zu verkünden, daß das Land gerettet ist! Alle sind bewegt, alle sind begeistert, alle brennen darauf, sich in den Kampf zu stürzen...“
Auf den Rängen und in den Gängen der Nationalversammlung standen heftig gestikulierend Männer in Gruppen zusammen. Nach und nach verstummten sie alle und lauschten auf die Worte des großen Führers. Danton appellierte an sie; er forderte sie auf, nicht schwach zu werden, beschwor sie, sich gegen die Flut zu stemmen, die gegen Paris anbrandete. Er entfachte ihre Leidenschaft und verlangte, daß sie die Grenzen Frankreichs verteidigten, die Verteidigungsanlagen schützten und die Stadttore mit Lanzen und Spießen eigenhändig bewachten. Das Feuer seiner Rede wirkte bei seinen Zuhörern wie ein Zündfunke. Bald hörte man Beifall und Jubel aus den Reihen der Männer.
„Wir schlagen nicht Alarm, weil Gefahr droht, sondern befehlen den Angriff gegen die Feinde Frankreichs... Wir müssen alles wagen, immer wieder und wieder alles wagen - und Frankreich ist

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