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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malaxis
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gerettet!“
Die Nationalversammlung tobte. Tumult entstand, als die Männer im Parkett Papier in die Luft warfen und schrieen: „L'audace! L'audace!“
Während das Gebrüll durch den Saal hallte, wanderte Davids Blick zum Rang und blieb an einem blassen jungen Mann mit unbewegtem Gesicht haften.
David sah, daß er stumm und ungerührt von Dantons Rede auf seinem Platz sitzen blieb. Während er diesen Mann beobachtete, wurde David bewußt, daß nur noch eines sein Land retten konnte, das in zahllose verfeindete Fraktionen gespalten, wirtschaftlich zugrunde gerichtet und von einem Dutzend feindlicher Mächte jenseits der Grenzen bedroht wurde: Frankreich brauchte nicht das Pathos eines Danton oder eines Marat, Frankreich brauchte einen Führer - einen Mann, der seine Kräfte in der Stille sammelte, bis seine Fähigkeiten gebraucht wurden, einen Mann, der die natürlichen, ehrwürdigen Ideale des großen JeanJacques Rousseau wiederbeleben konnte, auf die diese Revolution sich gründete. Der Mann, der dort im Rang saß, war dieser Führer. Er hieß Maximilien Robespierre.
EIN UHR MITTAGS
    Germaine de Staël saß auf einer harten Holzbank im Gebäude der Pariser Kommune. Sie saß dort schon über zwei Stunden. Überall um sie herum standen stumm und beklommen Männer in Gruppen zusammen. Ein paar Männer saßen neben ihr auf der Bank, andere hatten sich auf den Boden gesetzt. Durch die offenen Türen dieses improvisierten Wartesaals sah Germaine geschäftige Gestalten, die Papiere stempelten. Von Zeit zu Zeit erschien jemand und rief einen Namen. Der Aufgerufene wurde dann blaß, andere klopften ihm auf die Schulter und flüsterten ihm „Mut“ zu. Dann verschwand der Betreffende hinter den Türen.
    Germaine wußte natürlich, was dort geschah. Vor den Mitgliedern der Pariser Kommune fanden Schnellverfahren statt. Man stellte dem „Angeklagten“, dessen Vergehen vermutlich nur auf seiner Abstammung beruhte, ein paar Fragen über seine Herkunft und Loyalität zum König. Hatte der Bedauerliche nur eine Spur blaues Blut, würde es im Morgengrauen auf die Straßen von Paris fließen. Germaine machte sich keine Illusionen, wie es um sie stand. Sie hatte nur eine Hoffnung, an die sie sich klammerte: Man würde keine schwangere Frau enthaupten.
    Während sie wartete und die breiten Ordensbänder ihres Botschafterinnenkleids betastete, brach der Mann neben ihr plötzlich zusammen. Er schlug die Hände vor das Gesicht und begann zu weinen. Die anderen blickten ängstlich und nervös in seine Richtung, aber niemand versuchte, ihn zu trösten. Germaine seufzte und stand auf. Sie wollte nicht durch den weinenden Mann in ihren Gedanken gestört werden. Sie suchte nach einem Ausweg, um sich selbst zu retten.
    In diesem Augenblick entdeckte sie einen jungen Mann, der sich mit einem Stapel Akten einen Weg durch die Wartenden bahnte. Die lockigen braunen Haare hatte er mit einem Band am Hinterkopf zusammengebunden, die Spitzen seines Jabots hingen schlaff herunter. Germaine wußte plötzlich, daß sie ihn kannte.
    „Camille!“ rief sie. „Camille Desmoulins!“ Der junge Mann drehte sich um, und seine Augen wurden vor Überraschung groß.
Camille Desmoulins war das Enfant celebre von Paris. Vor drei Jahren - noch als Jesuitenschüler - war er an einem heißen Juliabend im Cafe Foy auf einen Tisch gesprungen und hatte seine Mitbürger aufgefordert, die Bastille zu stürmen. Jetzt galt er als der Held der Revolution.
„Madame de Staël!“ sagte Camille, drängte sich durch die Leute und nahm ihre Hand. „Was führt Sie hierher? Sie haben doch bestimmt kein Unrecht gegen diesen Staat begangen?“ Er lächelte sie an. Sein freundliches Gesicht wirkte in diesem Saal voll Angst und Todesschrecken so fehl am Platz. Germaine versuchte, sein Lächeln zu erwidern.
„Die ‚Bürgerinnen von Paris’ haben mich gefangengenommen“, erwiderte sie und versuchte, etwas von dem diplomatischen Charme aufzubringen, der ihr in der Vergangenheit so oft geholfen hatte. „Es sieht so aus, als gilt die Frau eines Botschafters, die durch das Stadttor fahren will, als eine Feindin des Volks. Welche Ironie, nachdem wir so um die Freiheit gekämpft haben!“
Camilles Lächeln verschwand. Er warf einen unbehaglichen Blick auf den weinenden Mann hinter Germaine und führte sie zur Seite.
„Wollen Sie damit sagen, Sie haben versucht, Paris ohne Paß und Eskorte zu verlassen? O mein Gott, Madame! Sie können von Glück reden, daß man Sie nicht auf der

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