Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
Gralsritter. Er muß naiv und ein reiner Tor sein, um das Glück zu finden, das er sucht. Immerhin besteht seine Aufgabe darin, die Menschheit zu retten.“
„Ach?“ murmelte ich. Die Ähnlichkeit der Karten mit der Gestalt auf meinem Bild machte mich beklommen. Nachdem ich die Karten vor mir sah, schien der Mann auf meinem Bild sogar eine Narrenkappe zu tragen und die gleichen, seltsam runden Augen zu haben.
„Du fragst, wer dein Gegner ist“, erklärte Nim ernst. „Ich glaube, wie auf den Karten und auf dem Bild ist der Mann mit dem Fahrrad sowohl dein Gegner als auch dein Verbündeter.“
„Du denkst doch wohl nicht an einen wirklichen Menschen?“ fragte ich.
Nim nickte langsam und ließ mich nicht aus den Augen, als er sagte: „Du hast ihn doch gesehen, oder?“
„Aber das war nur ein Zufall!“
„Vielleicht“, stimmte er mir zu, „aber Zufälle können viele Ursachen haben. Es kann zum Beispiel ein Köder von jemandem gewesen sein, der das Bild kennt - oder auch eine andere Art Zufall“, fügte er lächelnd hinzu.
„O nein!“ stöhnte ich, denn ich wußte genau, was jetzt kommen würde. „Du weißt doch, daß ich an Vorsehung, überirdische Kräfte und all den metaphysischen Hokuspokus nicht glaube.“
„Wirklich nicht?“ fragte Nim noch immer lächelnd. „Aber es würde dir doch schwerfallen, eine Erklärung dafür zu finden, daß du ein Bild malst, bevor du dein Modell gesehen hast. Ich fürchte, ich muß dir etwas gestehen. Ich glaube, du spielst wie deine Freunde Llewellyn, Solarin und die Wahrsagerin eine wichtige Rolle in dem Geheimnis um das MontglaneSchachspiel. Wie sonst läßt sich erklären, daß du mit dieser Sache zu tun hast? Könnte es sein, daß du auf irgendeine Weise vom Schicksal dazu ausersehen, vielleicht sogar auserwählt bist, eine Schlüsselrolle -“
„Hör auf!“ unterbrach ich ihn. „Ich werde keinesfalls nach diesem mysteriösen Schachspiel suchen! Man will mich umbringen beziehungsweise in Morde verwickeln. Kapierst du das nicht?“ Ich schrie beinahe.
„Ich ‘kapiere’ es sehr wohl, wie du es so reizend ausdrückst“, erwiderte Nim, „aber du hast das Wesentliche nicht begriffen: Angriff ist die beste Verteidigung.“
„Kommt nicht in Frage“, erklärte ich. „Du willst mich offenbar reinlegen. Du möchtest dieses Schachspiel und brauchst einen Dummen, der es dir beschafft. Ich stecke schon hier in New York bis zum Hals in dieser Sache drin. Ich denke nicht daran, ein krummes Ding in einem fremden Land zu drehen, wo ich keinen Menschen kenne, der mir helfen kann. Vielleicht langweilst du dich und suchst ein Abenteuer, aber was wird aus mir, wenn ich dort in Schwierigkeiten gerate? Du hast doch nicht einmal eine Telefonnummer, unter der ich dich anrufen kann. Sollen mir vielleicht die Karmelitinnen zu Hilfe kommen, wenn das nächste Mal auf mich geschossen wird?“
„Nun werde nicht hysterisch“, beruhigte mich Nim und war wie immer ganz die Stimme der Vernunft, „ich habe in allen Kontinenten gute Kontakte. Aber das kannst du nicht wissen, weil du viel zu sehr damit beschäftigt bist, das Eigentliche nicht zu begreifen. Du erinnerst mich an die drei Affen, die aus Angst vor dem Bösen nichts sehen, nichts hören und nichts reden wollen.“
„Es gibt in Algerien kein amerikanisches Konsulat“, fauchte ich. „Hast du vielleicht Kontakte zur russischen Botschaft, wo man mir mit Freuden aus der Patsche helfen würde?“ Das konnte sogar sein, denn Nim war teils russischer und teils griechischer Abstammung.
„Also, ich habe tatsächlich Kontakte zu mehreren Botschaften in Algerien“, erklärte er mit einem verdächtigen Grinsen. „Aber darüber sprechen wir später. Du mußt dich damit abfinden, daß du in dieses kleine Abenteuer hineinverwickelt bist, ob es dir paßt oder nicht. Aus der Suche nach dem Heiligen Gral ist eine Massenbewegung geworden. Dir bleibt keine andere Wahl: Du mußt die erste am Ziel sein.“
„Dann kannst du mich auch gleich Parzival nennen“, brummte ich. „Ich hätte nicht so dumm sein sollen, damit zu dir zu kommen. Deine ganze Hilfe besteht dann, mir noch größere Probleme aufzuladen, die mein ursprüngliches Problem harmlos erscheinen lassen.“
Nim stand auf, zog mich hoch und lächelte mich verschwörerisch an. Er legte mir die Hände auf die Schultern und sagte:
„J'adoube.'
PARIS 2. September 1792
Niemand ahnte, was dieser Tag bringen würde.
Germaine de Staël wußte es nicht, als sie sich in der
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